Entbürokratisierung – das Wort ist so sperrig wie schwammig. Seit Jahren drängt die Wirtschaft darauf, die Politik möge endlich den Urwald aus Verordnungen, Richtlinien und Vorschriften zurückschneiden. Und das aus gutem Grund: Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht massiv unter Druck, nicht zuletzt aufgrund der stetig zunehmenden bürokratischen Anforderungen.

Häufig werden neue Verordnungen in bester Absicht erlassen, ohne dass vorher geprüft wird, welchen Aufwand sie für die Betroffenen verursachen. Eine neue Allensbach-Studie im Auftrag des Arbeitgeberverbands NiedersachsenMetall hat sich nun genauer mit den Auswirkungen der Bürokratie auf Unternehmen beschäftigt.

Besonders der Datenschutz nervt – und das Lieferkettengesetz

Das Ergebnis: Nicht nur die schiere Masse der Vorgaben ist ein Problem, sondern auch ihre Einhaltung. Mit 97 Prozent gibt nahezu jedes befragte Unternehmen an, dass die Last der staatlichen Regulierungen auf die Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahren gestiegen sei. Für neun von zehn so stark, dass sie als große oder sehr große Belastung empfunden werden. 

„Die Einhaltung der Vorschriften bindet personelle Kapazitäten, es entstehen erhebliche Kosten, das Haftungsrisiko nimmt zu und Prozesse werden verlangsamt, ohne dass all dies auch nur minimal zur Wertschöpfung beiträgt“, kritisiert Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall und Auftraggeber der Studie.

Als besonders kräftezehrend empfinden die Betriebe die umfassenden Berichts- und Dokumentationspflichten und die langwierigen Antrags- und Genehmigungsverfahren. Hinzu kommt die unzureichende Digitalisierung der staatlichen Stellen. 

Aber auch die überzogene Umsetzung von europäischen Regelungen sowie praxisferne Vorschriften verärgern die Befragten. „Es ist eine deutsche Eigenart, dass unsere Politik Vorgaben aus Brüssel in der Regel nicht nur rasch und vollständig übernimmt, sondern häufig auch noch verschärft“, sagt Schmidt. Dabei habe sich längst gezeigt, dass dieses „Klassenprimus-Denken“ mehr schade als nütze.

„Die Einhaltung der Vorschriften bindet Kapazitäten und verlangsamt Prozesse“

Dr. Volker Schmidt, NiedersachsenMetall

Den größten Aufwand, da sind sich fast drei Viertel der Befragten einig, verursacht die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Zwei Drittel haben besonders großen Aufwand mit den Vorschriften des Lieferkettengesetzes, und jeweils die Hälfte empfindet die Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte, die Anforderungen beim Arbeitsschutz und die elektronische Krankschreibung als besonders aufwendig. 

Allerdings gibt es für viele Regelungen sogar ein gewisses Maß an Verständnis. Bei den Anforderungen an den Arbeitsschutz etwa empfinden mehr als zwei Drittel den hohen Verwaltungsaufwand als gerechtfertigt. Gleiches gilt für die Richtlinien zur Sicherheit von Maschinen und die Vorschriften zum Umgang mit Chemikalien.

Wenn jetzt nichts geschieht, wird es schwer für die Unternehmen

In keinem vernünftigen Verhältnis von Aufwand und Ertrag steht dagegen für 84 Prozent der Befragten das Lieferkettengesetz, dicht gefolgt von der DSGVO und dem Arbeitszeitnachweisgesetz. Vorteile in der Erfüllung der vielen bürokratischen Vorgaben sieht kaum ein Unternehmer.

„Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass Entbürokratisierung mehr ist als die Streichung einiger Paragrafen“, sagt Schmidt. Sämtliche Vorgaben für die Wirtschaft müssten auf den Prüfstand gestellt und hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und der Praktikabilität bewertet werden. Dazu müssten die Verwaltungsabläufe verschlankt und Antrags- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. 

Die Politik müsse jetzt endlich Ernst machen, fordert Schmidt: „Wir können uns nicht noch weitere Jahre regelmäßig in die Hand versprechen, unsere Staatsverwaltung zu verschlanken. Wenn sich unsere übertriebene Regulierungsneigung nicht schnell dramatisch ändert, wird unser Standort weiterhin einen gravierenden Wettbewerbsnachteil haben.“