Gestartet als Ein-Mann-Betrieb zum Bestücken von Leiterplatten hat sich Brückmann Elektronik in knapp 50 Jahren zu einem etablierten Dienstleister gemausert, der für seine Kunden neben komplexen Platinen auch komplette Geräte und Schaltanlagen produziert. aktiv besuchte den geschäftsführenden Gesellschafter Oliver Brückmann am Stammsitz in Lahnau, wo jeden Tag mehr als 250.000 Bauteile verarbeitet werden.

Herr Brückmann, was zeichnet Brückmann Elektronik aus?

Wir sind ein klassischer Dienstleister im Elektronikbereich, sehr innovativ und stark im Electronic Manufacturing Service, kurz EMS. Das heißt, wir entwickeln und fertigen elektronische Baugruppen, Schaltanlagen und Steuerungen nach Kundenwunsch und bei Bedarf sogar komplette Geräte. Irgendwann wollten Kunden mehr als bestückte Leiterplatten. Darauf haben wir reagiert, uns die entsprechenden Kompetenzen angeeignet, wenn nötig neue Maschinen angeschafft und geliefert. Und so reagieren wir auf Herausforderungen bis heute. Man muss Chancen wahrnehmen, die sich im engen Kontakt mit den Kunden ergeben, und ihnen Lösungen für ihre Fragestellungen bieten, schnell und unkompliziert. Dann läuft’s.

Und es läuft gut bei Ihnen?

Ja, entgegen dem allgemeinen Trend in der Industrie läuft es bei uns gut. Dreh- und Angelpunkt ist die Elektronik. Man könnte auch sagen: Wir wachsen mit den Leiterplatten oder mit den Kunden, die neue Produkte und neue Technologien einführen. Was mal als Ein-Mann-Betrieb begann, ist heute eine Firmengruppe mit 300 Beschäftigten – allein 2023 haben wir 36 neue Mitarbeiter eingestellt bei einem Umsatz von 37 Millionen Euro. 2020 lag dieser noch bei rund 21 Millionen Euro.

Brückmann ist sogar eine ganze Firmengruppe?

Ja. Zur Brückmann Elektronik gehören die Firmen Brückmann Hard- und Software, BE Gerätebau Waldgirmes sowie die BE Kabel- und Schlauchpaketfertigung. Neben kompletten Geräten wollten manche Kunden auch die passenden Leitungen, denn Steuerschränke, Maschinen, Roboter, Pneumatik und mehr brauchen Strom und müssen miteinander verbunden werden. So kamen Kabel und Schlauchpakete dazu. Insgesamt haben wir letztes Jahr über 1,4 Millionen Produkte verkauft und dafür über 50 Millionen Bauteile verarbeitet.

Wo landen all diese Produkte?

In Messgeräten, Mikroskopen, Hochleistungs-Scannern oder High-Speed-Kameras. In der Halbleiter-Industrie und der Energiewirtschaft, in Schwimmbädern, Reithallen und Flugzeugküchen, in Autos und in der Formel 1, in Kränen und in der Türsteuerung auf Kreuzfahrtschiffen. Wir sind offen für alle Branchen. Die Vielfalt macht’s. Wir können Einzelteile und Serie und gehen gerne auch mit ausgefallenen Herausforderungen um. Gleich zu Beginn der Coronapandemie haben wir zum Beispiel schon Platinen für Beatmungsgeräte bestückt und am Ende 7.500 komplette Elektroniksätze dafür geliefert.

Wie kam es zur Gründung von Brückmann Elektronik?

Mein Vater gründete das Unternehmen 1976, um nach Feierabend bei uns im Keller Platinen zu bestücken. Sein Arbeitgeber, ein US-Automobilzulieferer, hatte die Produktion ausgelagert. Aber das beauftragte Subunternehmen lieferte keine gute Qualität. Mein Vater sprang ein – überzeugt davon, dass er das besser kann. Meine Mutter kümmerte sich um das Kaufmännische, er um die Kunden und alles Technische – alles neben dem normalen Job. 1984 kündigte zuerst meine Mutter ihre Anstellung, um sich vom Einkauf über die Arbeitsvorbereitung, Fertigung, Rechnungen und Buchhaltung um alles zu kümmern. 1986 kündigte dann auch mein Vater, und er konnte sich endlich ganz der eigenen Firma widmen. Ab da florierte der Betrieb so richtig, weil er eben Chancen erkannte und mit Schnelligkeit und Qualität punktete.

Wollten Sie schon immer hier Chef werden?

Nein. Mein Bruder Hans-Martin, mit dem ich die Firma heute gemeinsam leite, und ich waren schon als Kinder immer im Betrieb dabei. Bei der Berufswahl ließen uns unsere Eltern aber alle Freiheiten. Bei knapp 30 Beschäftigten wusste damals keiner, wie sich die Firma weiterentwickeln würde. Hans-Martin studierte Informatik und ich Raum- und Städteplanung und ich wurde Städteplaner. Brückmann Elektronik war zu dem Zeitpunkt fest am Markt etabliert, und mein Vater bot mir eine Stelle als Assistent der Geschäftsleitung an. Ich nahm die Chance wahr und studierte parallel dazu Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Gießen-Friedberg. Mein Bruder kam nach seinem Studienabschluss auch ins Unternehmen und bringt seitdem Brückmann konsequent in die digitale Zeit.

Wie digital ist Ihr Unternehmen schon?

Die Digitalisierung gehört für uns seit den frühen 90er Jahren dazu, und sie ist Teil unseres Erfolgs. Unsere Ansätze sind in der Regel Insellösungen, die zunehmend vernetzt werden. Die Digitalisierung hilft uns, Prozesse zu automatisieren, zu rationalisieren, Transparenz zu schaffen und Aufwand zu reduzieren. Die Transformation, also Veränderung und Anpassung an neue Technologien und das, was die Kunden von uns benötigen, nämlich Elektronik mit hoher Verfügbarkeit zu bezahlbaren Preisen, ist bei uns seit jeher Tagesgeschäft. Transformation bedeutet für uns aber auch, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen, sie zu unterstützen und weiterzuentwickeln durch Weiterbildungen. Denn ohne sie kann die Transformation nicht gelingen.

Wie sehen Sie die Zukunft von Brückmann?

Drangehen! Machen! Das wird auch in Zukunft unsere Devise sein und ist aus meiner Sicht der richtige Weg, um den täglichen Herausforderungen zu begegnen. Unser Erfolg beruht darauf, Aufgaben anzunehmen und mit Mut und Durchhaltevermögen langfristig zu verfolgen. Dafür wird kontinuierlich geplant, kalkuliert und manchmal auch was riskiert. Wenn man jede Bestellung eines Kunden als Investition versteht, ist es nur konsequent, das, was die Firma verdient hat, wieder in den Betrieb zu reinvestieren. Auch das ist Unternehmertum.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten?

Dann würde ich mir 50 Millionen Euro wünschen und noch mehr „machen“. 30 Millionen gingen in den nächsten Anbau auf unserem Werkgelände in Lahnau, 10 Millionen in die Einrichtung inklusive Materialvorräten, um Lieferengpässen vorzubeugen, und für den Rest würde ich Werkwohnungen bauen. Wir pflegen eine starke Bindung zu unserer Belegschaft und zeigen das durch umfangreiche Benefits und Veranstaltungen wie unser beliebtes Familienfest im Sommer. Werkwohnungen wären dafür das Sahnehäubchen, denn gute, bezahlbare Wohnungen sind auch in Mittelhessen gar nicht mehr so leicht zu bekommen.

Zur Person

Oliver Brückmann, geboren 1967 in Wetzlar.

  • 1988 bis 1994 Studium Raumplanung mit Abschluss Diplom-Ingenieur, anschließend Tätigkeit als Stadtplaner.
  • 1997 Einstieg bei Brückmann Elektronik und Start eines BWL-Studiums an der FH Gießen-Friedberg, heute THM.
  • 2001 Diplom-Betriebswirt (FH).
  • 2005 Übernahme der Geschäftsführung der Brückmann Elektronik in Lahnau gemeinsam mit seinem Bruder Hans-Martin.
Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

Alle Beiträge der Autorin