London/Brüssel. Er ist der Mann mit den zwei Gesichtern: In Brüssel tritt Großbritanniens Regierungschef David Cameron als Rebell auf. Mit der Drohung, die EU zu verlassen, setzt er seine Ziele durch. In London aber kämpft er dafür, dass die Bürger beim Referendum im Juni für den Verbleib in der EU stimmen.
Wenn Cameron mit dieser Doppelstrategie Erfolg hat, „erweist er der Staatengemeinschaft durchaus einen Dienst“, sagt Professor Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim.
Der Briten-Premier hat mit den anderen 27 Regierungschefs einen Deal ausgehandelt: Sie machen Zugeständnisse, damit er zu Hause als starker Mann auftreten und für die EU werben kann.
- Zuwanderung. Um sie zu bremsen, darf Großbritannien neu zugezogene EU-Ausländer gegenüber Einheimischen steuerlich benachteiligen. Eigentlich erhalten Geringverdiener im Königreich per Steuergutschrift Geld aus der Staatskasse; umgerechnet kann eine Alleinerziehende mit 5.100 Euro Sockelbetrag im Jahr rechnen, von dem ein Teil des Lohns abgezogen wird. Das aber gilt künftig nicht mehr für Bürger etwa aus Polen, wo viele der Einwanderer herkommen. Weil diese Entscheidung die Gleichbehandlung von EU-Bürgern einschränkt, brauchte Cameron die Zustimmung aus Brüssel.
- Kindergeld. Für EU-Ausländer gibt es bald weniger Kindergeld, wenn der Nachwuchs in der Heimat bleibt und dort die Preise niedriger sind als in Großbritannien. Bis zum Jahr 2020 sind davon nur neue Antragsteller betroffen, danach alle Zuwanderer. Was Cameron im eigenen Land Zustimmung bringt, weckt auch das Interesse seiner Amtskollegen in anderen Staaten Europas: Auch sie können diese Möglichkeit nutzen. Prompt kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel an, „dass wir das auch umsetzen in Deutschland“. Zurzeit zahlt die Bundesrepublik für rund 150.000 im Ausland lebende Kinder etwa 350 Millionen Euro im Jahr.
- Souveränität. Jetzt haben es die Briten schriftlich: Die Finanzwelt in der Londoner City bleibt weitgehend der Brüsseler Kontrolle entzogen. Dem Euro müssen sie auch nicht beitreten.
Für so viel Entgegenkommen gibt es gute Gründe. Schließlich hängt von den Briten viel ab in der EU, etwa wenn es um die Chancen bei der Globalisierung geht. Professor Heinemann: „Sie treten für Freihandel und Bürokratieabbau ein.“ Fiele ihr Wort nicht mehr ins Gewicht, dann würde sich die Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft ändern – „von einem drohenden Auseinanderbrechen ganz zu schweigen“.
Vor allem Merkel hat in Cameron einen wichtigen Verbündeten, wenn es ums Sparen geht. Heinemann: „Ohne die Deutschen und die Briten gäbe es längst eine EU-Steuer, die alle Bürger zahlen müssten.“