Köln. Lange Staus, endlose Wartezeiten an der Grenze, teure Unterbrechungen der Lieferketten – welche Szenarien im Handel zwischen Großbritannien und den EU-Staaten künftig real werden, ist noch nicht abzusehen. Was aber klar ist: Der Brexit hat jetzt schon spürbaren Schaden angerichtet.

Die heftigsten wirtschaftlichen Folgen hat das Vereinigte Königreich selbst zu tragen. Das ist das Ergebnis mehrerer internationaler Studien. Dass das Wachstum auf der Insel abflaut, hat vor allem einen Grund: „Die Unsicherheit über die zukünftigen Handelsbeziehungen ist natürlich sehr groß“, erklärt Berthold Busch, Europa-Experte am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Unsicherheit lähmt die britische Wirtschaft

Etliche britische Unternehmen haben denn auch Vorsichtsmaßnahmen getroffen – und das kostet Geld: Produktionspausen, Werkschließungen, Standortwechsel in andere Länder. „Außerdem zögern die Firmen schon seit Jahren mit Investitionen“, so Busch. Diese Unsicherheit ist längst in der Realwirtschaft angekommen. Nach aktuellen Prognosen fällt das Wachstum der britischen Wirtschaftsleistung 2020 weiter, auf nur 1,1 Prozent.

Brexit im Nacken: Die Unsicherheit über die Zukunft hat wirtschaftlichen Schaden angerichtet.

„Außerdem hat das Pfund im Vergleich zum Euro an Wert verloren“, so Busch. „Das hat die britischen Exporte begünstigt und die Importe verteuert, was über einen Preisanstieg die Dynamik des privaten Konsums gebremst hat.“ Und wie sieht es mit der deutschen Wirtschaft aus?

„Bereits unmittelbar nach dem Referendum zeigten sich Veränderungen in den Handelsströmen“, sagt der Ökonom. Von Anfang der 90er Jahre bis zum Jahr des Brexit-Referendums 2016 hat der Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich laufend kräftig zugelegt, durchschnittlich um 3,8 Prozent pro Jahr. Seit 2016 aber schrumpft das Handelsvolumen, im Jahresdurchschnitt um 1 Prozent. Und so wurden auch hierzulande Investitionen verschoben oder aufgegeben. Vorkehrungen für den Worst Case, einen „harten Brexit“, werden getroffen.

Umbau der Lieferketten hat schon begonnen

„Wichtige Branchen wie die Auto- oder die Pharma-Industrie spüren die Folgen der politischen Entwicklungen besonders deutlich“, sagt Busch. Die Auto-Industrie hat den größten Anteil an den deutschen Exporten nach Großbritannien – diese Ausfuhren gingen von 2016 bis 2018 um ein knappes Viertel zurück. „Das deutet darauf hin, dass der Umbau von Wertschöpfungsketten schon begonnen hat“, so Busch, „Firmen suchen sich neue Lieferverbindungen oder Zulieferer in anderen Ländern, um von den Briten unabhängiger zu sein.“

Die Folgen für unseren Arbeitsmarkt sind schwer abzuschätzen. Beim Bundesverband der Deutschen Industrie heißt es: Von einem No-Deal-Brexit könnte „eine fünfstellige Zahl von Arbeitsplätzen“ betroffen sein.