Leinfelden-Echterdingen. Roto-Chef Eckhard Keill blickt mit gerunzelter Stirn auf den Besprechungstisch in seinem Büro. „Was auf dem Globus derzeit passiert“, sagt er, „führt nicht gerade dazu, dass ein Unternehmen in Ruhe arbeiten kann.“ Erst der Brexit, dann die Trump-Wahl: Dass mit Großbritannien und den USA nun schon bei zwei wichtigen marktwirtschaftlichen Demokratien die Gefahr eines Abschottungskurses besteht, besorgt den Vorstandsvorsitzenden des Bauzulieferers (Hauptsitz: Leinfelden-Echterdingen). Er sagt wie viele Wirtschaftsvertreter: „Das schadet langfristig der Weltwirtschaft und uns allen.“

Die Roto Frank AG liefert unter anderem Technologien für die Fenster und Türen dieser Welt. Erschwert ein wichtiger Absatzmarkt den Handel mit anderen Staaten, so merken die Mitarbeiter das zuweilen nicht nur beim Nachrichtengucken. Sondern auch im Betrieb: wenn es weniger zu tun gibt. Dazu kommen politische Krisen wie die in Russland und der Türkei – die ebenfalls dazu führen, dass das Geschäft in den betroffenen Märkten leidet.

Roto ist Zulieferer der Bauwirtschaft, und ein Rundgang durch die Produktion macht deutlich, wie sehr hier Auftragsschwankungen ohnehin schon den Takt vorgeben. Herbert Dräger, Leiter der Stanz- und Umformtechnik, zeigt auf eine sogenannte Shopfloor-Tafel zwischen den Maschinen, auf der alle relevanten Werkkennzahlen tagesaktuell ablesbar sind: „Unsere Auslastung kann heute bei 100 Prozent und schon morgen 20 Prozent niedriger liegen.“ Hier treffen sich jeden Morgen alle Bereichsleiter der Produktion, um die aktuelle Auftragssituation zu besprechen und die Fertigungsleistung entsprechend anzupassen.

Am Standort Leinfelden arbeiten rund 700 Leute, pro Tag werden im Schnitt 110 Tonnen Stahl zu Fensterbeschlägen verarbeitet. Die sind innerhalb von drei Tagen nach Bestellung beim Kunden. „Wir können jederzeit von Drei- auf Einschichtbetrieb wechseln – und umgekehrt“, sagt Dräger. Bei Bedarf werden auch Kurzarbeit und Zeitarbeit eingesetzt. Flexibilität ist neben Kundennähe zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden, mit dem Roto sich unter anderem die Weltmarktführerschaft bei „Drehkipp“-Beschlägen sichert. Das sind Beschläge, mit denen sich Fenster sowohl drehen als auch kippen lassen.

Wie sich Politik aufs Geschäft auswirken kann, verdeutlicht Firmenchef Keill an einem Beispiel: „Mit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist unser Geschäft in Russland regelrecht eingebrochen.“ Hauptgrund: Der massive Kaufkraftverlust der Bevölkerung. Auch die Ukraine sei noch vor wenigen Jahren ein wichtiger Absatzmarkt gewesen. Insgesamt sei das Geschäft in der Region um etwa die Hälfte geschrumpft.

Auch der Austritt Großbritanniens aus der EU steigere erheblich die ohnehin schon ausgeprägte globale Unsicherheit, sagt Keill, und sei „ein ganz schlechtes Signal für Europa“. Er befürchtet eine weitere Abwertung des britischen Pfundes. Die Preise steigen, das Wachstum werde nachlassen und damit die Nachfrage – auch nach Fenstern und Türen.

Und die USA? Von Trump als neuem Präsidenten erwarte er „kurzfristig positive Effekte, weil wir ein eigenes Werk in den USA haben“, so der Firmenchef. Dennoch findet er, dass die Welt besser auf freie Märkte setzen sollte: „Wenn jetzt zum Beispiel aus dem Freihandelsabkommen TTIP nichts wird, ist das eine verpasste Chance für Europa und die USA.“

Brexit, Trump und die daraus resultierenden Unwägbarkeiten beschäftigen viele Betriebe. So sagt Theodor Niehaus, Vorstand von Festo Didactic: „Protektionismus ist für uns als globales Unternehmen immer ein Problem.“ Obwohl er auch einen Schub fürs Geschäft erwartet, wenn Trump die eigene Industrie stärkt: Das Unternehmen liefert Materialien und Konzepte für die Fachkräfteausbildung in der Automationstechnik.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Baden-Württemberg betont, Trumps Vorschläge zur Abschottung würden sich negativ auf das Investitionsklima in den USA auswirken „und damit auch auf die Maschinenimporte aus Deutschland“. Und der Verband der Automobilindustrie sieht den Abbau von Handelsschranken als Voraussetzung für unsere Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung. Auch Ökonomen warnen davor, die Chancen des Freihandels zu vergeben. Etwa Professor Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts: „Der Schaden wäre groß“, könnte Trump angekündigte Barrieren durchsetzen. „In Deutschland hängen 1,5 Millionen Arbeitsplätze vom US-Geschäft ab.“

Roto-Chef Keill hat noch ein Argument für Freihandel: „Der Verbraucher bekommt dadurch bessere Produkte günstiger.“ Beispiel: „Hätten wir den deutschen Markt abgeschottet, so gäbe es bei uns heute keine hochmodernen, preiswerten Fernseher aus Asien.“ Umgekehrt seien ja auch deutsche Produkte im Ausland gefragt, die wir besser können als andere. Wie Maschinen. Oder Fensterbeschläge. Dass die Globalisierung selbst bei uns Gegner hat, liegt für Keill auch am Bildungssystem. Wirtschaft komme hier einfach viel zu kurz. „Es ist traurig, dass es bisher so schlecht gelungen ist, dem ganz normalen Bürger den Nutzen von Freihandel klarzumachen.“

Das Geschäft mit Fenstern

  • Dass wir heute unsere Fenster wahlweise drehen oder kippen können, liegt an ihm: Firmengründer Wilhelm Frank hat 1935 den Drehkipp-Beschlag erfunden.
  • Die Roto Frank AG hat heute knapp 4.500 Mitarbeiter.
  • Sie produziert in weltweit 17 Werken auf vier Kontinenten neben Fenster- und Türbeschlägen auch Wohndachfenster. Der Jahresumsatz betrug 2016 rund 620 Millionen Euro.
  • Fenster sind in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich: Während bei uns das Drehkipp-Fenster Standard ist, haben die Spanier, Griechen, US-Amerikaner und Engländer beispielsweise überwiegend Schiebefenster.

Mehr Handelsbarrieren

Der Wert des Welthandels schrumpft. Das verschärft den Wettbewerb unter Exporteuren und führt zu zunehmendem Protektionismus – so lautet das Ergebnis einer aktuellen Studie des Kreditversicherers Euler Hermes aus Hamburg.

  • Über 1.800 Handelsbarrieren wurden zwischen 2014 und Mitte 2016 eingeführt, mehr als 700 pro Jahr. Spitze ist Russland mit 202 neuen Maßnahmen vor Indien, den USA, Brasilien und Indonesien.
  • 2016 hat die Welt insgesamt 3,13 Billionen US-Dollar an gehandelten Waren und Dienstleistungen verloren. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt von Deutschland.
  • Dafür verantwortlich ist vor allem die schwache Wirtschaftsentwicklung, aber auch der Absturz der Rohstoffpreise sowie Währungskriege.
  • Die derzeit großen Unsicherheiten auf politischer Ebene belasteten den Welthandel ebenfalls, heißt es in der Studie: Die Autoren nennen etwa den Brexit, bevorstehende Wahlen und Freihandelsabkommen, die in der Luft hängen.