Berlin. Käfer, die ihren eigenen Sprengstoff produzieren, Geckos, die mit ihren Füßen mühelos an der Decke kleben, Elefantenrüssel, die so feinfühlig sind wie Chirurgenhände: Die Natur bringt Dinge fertig, von denen auch die Industrie profitiert.
Sich von diesen Meisterleistungen etwas abzuschauen und auf technische Anwendungen zu übertragen, ist das Ziel der Bionik. „Die Natur liefert perfekte Vorlagen, weil ihre Prinzipien in Milliarden Jahren evolutionärer Entwicklung optimiert wurden“, erklärt Rainer Erb. Er ist Geschäftsführer des Netzwerks Biokon mit Sitz in Berlin.
Känguru als Beispiel für die Rückgewinnung von Energie
Dass wir Menschen von der Natur lernen können, ist keine neue Erkenntnis, doch seit einigen Jahren rückt das Thema verstärkt ins Blickfeld der Industrie: Ingenieure haben die Natur als Ideengeber für Innovationen entdeckt.
Beim Esslinger Automatisierungs-Spezialisten Festo etwa gibt es eine eigene Abteilung dafür. Die Tüftler dort haben schon eine ganze Reihe pfiffiger Projekte entwickelt, zum Beispiel den Nachbau einer Libelle als ultraleichtes Flugobjekt, das in alle Richtungen manövrieren und auf der Stelle fliegen kann.
Der neueste Aufreger ist das hüpfende Känguru. Der Clou: Das Tier kann bei der Landung Energie speichern, die es für den nächsten Sprung benötigt. Projektleiter Heinrich Frontzek: „Das Känguru ist ein exzellentes Beispiel für die Rückführung von Energie – ein zentrales Thema in der Automatisierungstechnik.“
In Industrie-Unternehmen wird es immer wichtiger, für knifflige Probleme innovative Lösungen zu finden: „Besser und schneller zu sein als die Wettbewerber, ist die entscheidende Motivation, sich mit Bionik zu beschäftigen“, erklärt Forscher Erb.
Zahlen dazu liegen bisher nicht vor. Zwar bescheinigt auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau in Frankfurt dem Thema eine „wachsende Bedeutung“, doch erfasst wurde diese bisher nicht. Einer der Gründe: In sehr vielen Produkten steckt nur ein Teil Bionik.
Das Netzwerk Biokon will den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern: „Wir bieten völlig neue Zugänge, auf die Unternehmen mit ihren Methoden nicht kommen“, so Geschäftsführer Erb. Eines der Netzwerk-Mitglieder ist das Unternehmen Tetra in Ilmenau/Thüringen. Die Hightech-Schmiede hat einen Roboter entwickelt, der dem menschlichen Arm nachempfunden ist.
Roboter, der auf die Umgebung reagiert
Der Vorteil gegenüber bisherigen Modellen: Er reagiert auf seine Umgebung. Kommt ein Mitarbeiter in seine Nähe, stoppt er sofort. Damit lässt sich der Roboter in die Prozesskette einbauen und muss nicht kostspielig in einem Käfig abgeschottet werden. Anfang nächsten Jahres soll der neue Helfer in Serie gehen. Prototypen davon sind bereits im Einsatz. Gründer und Geschäftsführer Andreas Karguth ist sich sicher: „In der bionisch inspirierten Robotik sind wir führend.“
Übrigens …
Wie funktioniert Bionik?
Bionik ist ein Kunstwort aus Biologie und Technik. Dabei gibt es zwei Methoden:
- Top-down: Der Forscher will ein technisches Problem lösen und sucht nach Vorbildern in der Natur.
- Bottom-up: Der Forscher erkennt ein natürliches Phänomen und leitet daraus die technische Umsetzung ab.