Dresden. Noch vor einem Jahr hätte Franz Bradler sich das nicht träumen lassen: Dass er Journalisten durch sein Unternehmen führt, die Buchbinderei Bindwerk am Stadtrand von Dresden. Dass er über Produktionsmethoden des industriellen Buchbindens ebenso Auskunft geben kann wie etwa über das Saisongeschäft mit Kalendern, über Ausbildung oder das so wichtige Motivieren von Mitarbeitern.
Denn vor einem Jahr war der damals 27-Jährige nach dem Mechatronik-Studium auf Weltreise. Bradler wollte sozusagen vor dem Ernst des Lebens noch mal Pause machen. In Neuseeland kam ein Anruf, der alles veränderte: Der Vater, seit 2005 Chef der Firma Bindwerk, war beim Bergsteigen einer Lawine zum Opfer gefallen. Eine Nachfolgeregelung gab es nicht.
Unternehmer werden? Geplant war das nicht – aber dann musste es sein
Bradler war der Einzige, der auf Anhieb für den Job infrage kam. „Ich hatte eigentlich nie Ambitionen, ins Geschäft einzusteigen“, sagt er freimütig. Schon der hohe zeitliche Aufwand, den die Führung eines Unternehmens mit sich bringt, habe ihn abgeschreckt.
Aber dann stellte er sich der Verantwortung. „Es war auch eine Art Pflicht“, sagt er – das Lebenswerk des Vaters weiterzuführen und 50 Jobs zu erhalten. Immerhin kannte der junge Chef schon einige der Mitarbeiter, Maschinen und Produkte; als Schüler und Student hatte er in den Ferien im Betrieb gejobbt. Und es half dann, dass der ausscheidende Betriebsleiter seinen Nachfolger gründlich einarbeitete – Bradler war oft dabei, schaute genau zu.
Vor allem Bücher, Kalender und Broschüren werden hier gebunden oder geheftet, in Auflagen von 100 bis 100.000 Stück. Die Kundschaft, zumeist Druckereien, schätzt das breite Leistungsspektrum und die hohe Qualität: Einen Außendienst hat Bindwerk nicht nötig.
Im ersten Jahr hat Bradler sich viel erarbeiten müssen. „Die Entscheidung habe ich aber nicht bereut“, sagt er heute, „von meinen Mitarbeitern bekomme ich jede mögliche Hilfe.“
Analyse der Prozesse im Betrieb
Noch immer hält fast jeder Tag Neues bereit: „Ich lerne ständig dazu“, so Bradler. Doch er hat schon die Sicherheit gewonnen, hier und da Dinge bewusst ganz anders zu machen als seinerzeit der Vater.
Zum Beispiel mit externer Hilfe: Für sechs Monate ist jetzt ein Master-Student im Bindwerk, er soll betriebliche Prozesse systematisch analysieren und optimieren. Oder zum Beispiel, wenn im August wieder zwei neue Azubis beginnen: „Denen muss man heutzutage mehr bieten“, sagt Bradler, „und unsere Berufsschule ist in Leipzig, das sind rund 120 Kilometer Strecke.“ Also hilft die Firma mit einem Fahrtkostenzuschuss.