Berlin. Fast jeder zweite Beschäftigte (43 Prozent) hat keine betriebliche Altersversorgung, kurz BAV. Die Regierung will das ändern, der Gesetzentwurf soll in Kürze vom Kabinett beschlossen werden. AKTIV sprach darüber mit Marco Arteaga von der Wirtschaftskanzlei DLA Piper, Mitautor eines Gutachtens für das Arbeitsministerium.
Die Vorarbeiten haben lange gedauert. Kommt jetzt ein großer Wurf?
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz verdient seinen Namen – wenn die neuen Möglichkeiten klug angewendet werden. Die Tarifparteien bekommen da viel Gestaltungsspielraum und sind jetzt gefordert, passende Modelle zu entwickeln.
Warum ist das nötig?
Um Altersarmut zu vermeiden, müssen wir die Verbreitung der BAV verbessern. Vor allem in kleinen Firmen und bei Beziehern niedriger Einkommen.
Was ist bisher der Haken aus Sicht der Unternehmen?
Die Haftung. Die Folgen eines Vorsorgeversprechens sind auf der Kostenseite praktisch unkalkulierbar. Zumal es da im Lauf der Zeit immer wieder negative Überraschungen gab.
Nun soll die Firma aus der Haftung entlassen werden?
Das Motto heißt „pay and forget“: Dem Mitarbeiter wird ein Beitrag zugesagt, aber kein fixes Endergebnis mehr versprochen. Das klingt herzlos, ist aber eine gute Sache! Die Betriebe können kostensicher kalkulieren – und die Versorgungsträger werden endlich freier in der Kapitalanlage. Heute müssen sie ja unrentabel anlegen, um alle Regeln für die Garantien zu erfüllen. Und das ist bei jahrzehntelangen Anlagen töricht.
Besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter mit so einer „Zielrente“ über den Tisch gezogen werden?
Sicher nicht. Der angepeilte Wert ist zwar nicht mehr garantiert, wird dafür in aller Regel aber deutlich höher sein als heute. In Norwegen und den Niederlanden hat man da gute Erfahrungen gemacht.
Außerdem wird jetzt auch ein sanfter Zwang erlaubt …
Ja, das „opting out“ auf Basis eines Tarifvertrags: Jeder Mitarbeiter wäre dann automatisch dabei – außer, er entscheidet sich dagegen. Das dürfte die Modelle der Versorgungswerke attraktiver machen, weil sie mit noch mehr kollektiver Masse mehr Verhandlungsmacht bekommen.
Wie will man die Geringverdiener ans Sparen bringen?
Für Arbeitgeber, die eine BAV von Beschäftigten mit weniger als 2.000 Euro brutto im Monat finanziell fördern, soll es staatliche Zuschüsse geben. Und falls Grundsicherung im Alter nötig wäre, gibt es kleinere Betriebsrenten anrechnungsfrei dazu.
Wo hätten Sie sich noch mehr gewünscht?
Alle sollten deutlich höhere Gehaltsanteile steuerfrei in der BAV anlegen dürfen, auch mit der nun geplanten Erhöhung bleibt der Rahmen da immer noch zu eng gesteckt. Und dass auf Betriebsrenten der volle Beitragssatz der Krankenkasse fällig wird, bleibt ein großes Ärgernis.