Bonn. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt, den Betrieben droht ein Facharbeiter-Engpass. Auf der anderen Seite gibt es in Deutschland schätzungsweise 60.000 bis 100.000 Studienabbrecher jährlich. Immer mehr Unternehmen zeigen sich offen für Bewerber ohne Uni-Abschluss.
Viele Abbrecher tun sich freilich schwer, einen Neustart als Azubi zu versuchen. Ein Studienabbruch ist häufig noch ein Tabuthema und wird mit Scheitern gleichgesetzt. „Es ist allerdings auch eine Chance, einen eingeschlagenen Bildungsweg zu korrigieren“, so Margit Ebbinghaus, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn gegenüber AKTIV.
Sie verweist auf die zahlreichen Projekte, die für diese jungen Menschen ins Leben gerufen wurden. „Studienabbrecher wissen mitunter nicht, welche Möglichkeiten ihnen bei der dualen Berufsausbildung offenstehen“, sagt sie. Man müsse deshalb die Information bereitstellen, dass es da durchaus interessante Berufe mit attraktiven Karriere-Chancen gebe.
Andererseits haben vor allem mittelständische Betriebe oft keinen Kontakt zu Hochschulen, um sich dort bekannt zu machen. Dabei ist das Interesse an Studienabbrechern groß, wie eine BIBB-Studie vom vergangenen Jahr ergeben hat: Fast jeder dritte Ausbildungsbetrieb in Deutschland hat bereits Studienabbrecher als Azubis eingestellt. Bei denen, die es noch nicht getan haben, denken drei Viertel der Personalchefs darüber nach.
Weil sie Nachwuchs-Probleme haben: Letztes Jahr konnten 45 Prozent der Betriebe ihre Lehrstellen nicht komplett besetzen.
„Unsere Befragung hat jedoch auch gezeigt, dass es Schwierigkeiten gibt, Studienleistungen zu bewerten. Es sind doch andere Arten von Kompetenzen, die im Studium und im Betrieb vermittelt werden“, weiß Ebbinghaus.
Die Ausbildung lässt sich verkürzen, wenn das Unternehmen mitspielt
Grundsätzlich biete das Berufsbildungsgesetz Möglichkeiten, die Ausbildung zu verkürzen: entweder von vornherein aufgrund einer entsprechenden Vorbildung oder bei guten Leistungen. Aber das setzt voraus, dass auch der Betrieb mit einer verkürzten Ausbildung einverstanden ist.
„Und da gibt es eine gewisse Skepsis“, so Ebbinghaus. Es hänge davon ab, wie gut der Studiengang und der Ausbildungsberuf zueinander passen, sicherlich aber auch, zu welchem Zeitpunkt das Studium abgebrochen wurde.
Zumindest müssen Studienabbrecher nicht unbedingt so intensiv die Schulbank drücken wie ihre Kollegen frisch von der Schule. Bei einigen Projekten wie zum Beispiel „Switch“ werden Studienabbrecher in speziellen Berufsschulklassen unterrichtet. Das ist hier möglich, weil es eine ausreichende Anzahl von solchen Auszubildenden gibt.