Köthen. Einfach mal fünf Minuten durchatmen kann sich Christian Schulze kaum leisten, wenn seine Abfüllanlage läuft. Ständig füllt er leere Dosen oder Deckel nach oder holt mit dem Stapler frische Dosen für den orangefarbenen Lack.
Doch wenn er mal verschnauft, kann er beruhigt einatmen: In der großen Halle der Fabrik der Deutschen Amphibolin Werke (DAW) im sachsen-anhaltischen Köthen riecht es nämlich überhaupt nicht nach Farbe. Obwohl man hier ausschließlich lösungsmittelhaltige Lacke hergestellt.
„Pro Stunde werden hier 30.000 Kubikmeter Luft gereinigt und ausgetauscht“, erklärt Werkleiter Hans-Jürgen Bauer und zeigt auf lange Rüssel, die überall aus der Decke in die Halle ragen. Sie sind das Herzstück einer raffinierten Frischluftanlage.
Das Wohl der Belegschaft und ein hoher Sicherheitsstandard haben Vorrang im Unternehmen. So gibt es zum Beispiel Kohlendioxid-Löschanlagen und Arbeitsschuhe, die eine elektrostatische Aufladung verhindern. In solche Dinge wird kräftig investiert: So flossen zum Beispiel 1992 nach der DAW-Übernahme 50 Millionen D-Mark in die Modernisierung. Die Hälfte davon allein für die Sicherheit.
In Köthen arbeiten 85 Beschäftigte und 15 Lehrlinge. Der Spezialist für lösungsmittelhaltige Profi-Lacke fertigt für alle DAW-Standorte und Marken quer durch Europa. Etwa für Holz und Metall, innen und außen, für die Industrie oder für den Bau. Da kommen einige Hundert Rezepturen zusammen. Und eine Menge Lack. „Im vergangenen Jahr haben wir 14.000 Tonnen produziert“, so Bauer.
Dafür braucht man die nicht ganz unproblematischen Zutaten. „Lacke bestehen aus Binde- und Lösemittel, Pigmenten und Zuschlagstoffen“, erklärt der Werkleiter. Wo es geht, vermeidet das Unternehmen schwierige Stoffe. Manche davon sind jedoch unverzichtbar, etwa die Lösemittel für das Alkydharz. Bauer: „So bilden die Lacke besonders harte und kratzfeste Oberflächen aus.“ Forscher arbeiten unermüdlich daran, die Formulierungen weiter zu verbessern.
Die Köthener Lackspezialisten haben sehr viel Erfahrung. Gegründet 1895, erfolgten Anfang der 1970er-Jahre zu DDR-Zeiten große Investitionen, die Jahresproduktion stieg auf 50.000 Tonnen. Ein Großteil ging in die Sowjetunion: „Wir haben noch viele Kunden in den Nachfolgestaaten“, berichtet Bauer.
Gefragt sind die Produkte aber auch zu Hause, das zeigt der gut genutzte Werkverkauf. Gleich am Tor in der ehemaligen Kantine betreuen zwei Mitarbeiter eine farbenfrohe Produktpalette aus dem Werk. Die wird bei privaten Kunden und Unternehmen aus dem Umkreis stark nachgefragt.