Hamburg. Nanu, wohnt da jemand im Aquarium? Eigenartig sieht das Haus in Hamburg-Wilhelmsburg aus: An der Fassade hängen 129  große Glaspaneele, in denen giftgrünes Wasser schwappt. Regelmäßig steigen dicke Blasen mit einem lauten „Blubb“ nach oben. „Das sind Bioreaktoren“, erklärt Hydrobiologe Martin Kerner. „Darin wachsen Algen, die Energie und Biomasse produzieren.“

Der Geschäftsführer der Hamburger Biotechnologie-Firma SSC hat das Algenhaus (BIQ) für eine Gebäudeausstellung konzipiert. Er will so Energie mittels Fotosynthese gewinnen: Das Kohlendioxid liefern Abgase der hauseigenen Gasheizung, Licht gibt’s von draußen gratis. Schon wachsen die Mikroalgen rasant. Druckluft wirbelt die Meerespflanzen kräftig durcheinander, damit sie nicht pausenlos der hellen Sonne ausgesetzt sind.

Je stärker sich die Algen vermehren, desto grüner wird die Brühe. Dann tritt die vollautomatische Erntemaschine in der Energiezentrale in Aktion. In den mannshohen Kessel passen 300  Liter, die mit Sauerstoff zu feinem Schaum verquirlt werden. „Fast wie Sahne schlagen“, findet Kerner, der den Prozess durch eine Art Bullauge beobachtet. Die Algen setzen sich mit den Luftbläschen oben ab und lassen sich abschöpfen. Die Flüssigkeit fließt mit einigen Restalgen zurück in die Reaktoren.

Aus den herausgefilterten Algen lässt sich in Biogasanlagen Energie produzieren. „Aber das wäre Verschwendung“, sagt der Wissenschaftler.

Wertvolle Inhaltsstoffe machen die glitschige Masse inter­essant, etwa als Fischfutter oder Nahrungsmittel. Und als Rohstoff für die Pharma- und Kosmetik-Industrie. Aktuell geht die Ernte zur Auswertung ins Karlsruher Institut für Technologie.

Video: Algen bei der Arbeit

Empfohlener externer Inhalt: YouTube

Dieser Artikel wird an dieser Stelle durch einen externen Inhalt von YouTube bereichert, den unsere Redaktion ausgewählt hat. Bevor wir diesen Inhalt anzeigen, benötigen wir Ihre Einwilligung. Natürlich können Sie das Element eigenhändig wieder deaktivieren oder Ihre Cookies löschen.

„Urbaner Ackerbau“ ist an Industrie-Gebäuden denkbar

Doch woher kommt dann die Energie? „Die Fassadenelemente sind nicht nur Algenreaktoren, sondern auch Solarthermie-Module“, erklärt Kerner. „Wir können darüber gut 38 Prozent der eingestrahlten Sonnenenergie als Wärme einfangen.“ Sein großes Ziel ist es, im urbanen Bereich Wärmeenergie und hochwertige Biomasse zu produzieren: „Fassaden von Industrie-Bauten eignen sich wunderbar als Anbaufläche für Algen“, schwärmt er. „Man könnte Abwässer und Klärschlamm füttern, Kohlendioxid reduzieren, Energie und viel Wertstoff gewinnen.“

Möglich macht’s die Wärme liebende Alge Chlorella, die er aus dem Hamburger Hafenbecken isoliert hat. Im Winter kommt eine kältefeste Sorte aus der Arktis zum ­Einsatz.