Regensburg / Dillingen / Klingenberg. Ist doch klar: Jeder hat mal was zu meckern, wenn es um den Job geht. Alles in allem aber gilt ein erfreulicher offizieller Befund: „Die meisten fühlen sich wohl.“ Ermittelt hat das die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Neun von zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigten „sind mit ihrer Arbeit zufrieden“, das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen.

In der amtlichen Studie ging es übrigens nicht um die Bezahlung. Die Mitarbeiter in Bayerns Metall- und Elektroindustrie (M+E) jedenfalls dürften auch in diesem Punkt zufrieden sein.

58.200 Euro brutto: So hoch ist inzwischen das durchschnittliche Jahreseinkommen tariflich bezahlter Mitarbeiter! Diesen Wert hat der Arbeitgeberverband vbm durch eine Befragung der Unternehmen ermittelt. Demnach liegt ein Tarifbeschäftigter im Schnitt bei 3.880 Euro pro Monat. Dazu kommen leistungsabhängige Zahlungen von mehr als 500 Euro pro Monat. Sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld: Laut Tarifvertrag ergeben sich 13,24 Monatsentgelte bei 30 Tagen Urlaub und einer Betriebszugehörigkeit von über 36 Monaten.

Beim Entgelt ist man anderen Branchen enteilt

  • Ein kürzlich veröffentlichter Tariflohn-Vergleich des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt: Die Metall- und Elektroindustrie ist seit der Jahrtausendwende vielen Branchen davongeeilt. Ähnlich hohe Zuwächse gab es nur in der Chemie-Industrie.
  • In den Jahren zwischen 2000 und 2016 sind die tariflichen Stundenlöhne in der Metall- und Elektroindustrie um insgesamt 51 Prozent gestiegen, im öffentlichen Dienst waren es nur knapp 35 Prozent.
  • Wirtschaftsforscher warnen: Werden die Lohnunterschiede größer, werden insbesondere die sozialen Berufe für Arbeitnehmer immer uninteressanter. Das hat zum Beispiel Auswirkungen auf die Zukunft der Pflege in Deutschland.

Damit liegt das Entgelt um ein Fünftel höher als im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Und es ist seit vielen Jahren stärker gestiegen als die Preise, der Reallohn-Zuwachs war erheblich.

Was die M+E-Firmen so alles in ihre Belegschaften investieren, geht allerdings weit über das Kleingedruckte auf der Gehaltsabrechnung hinaus. Es wird viel Geld in die Hand genommen, etwa für Weiterbildung, Gesundheit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das geschieht aus Verantwortung für die Mitarbeiter, aber auch im eigenen Interesse: Wer sich umsorgt fühlt, arbeitet produktiver und bleibt der Firma länger treu.

Weiterbildung schafft Chancen für Ungelernte

Durchweg alle Unternehmen investieren laufend in die Qualifizierung. 2016 erhielt jeder zweite Mitarbeiter mindestens eine Fortbildung, so die neue Studie „M+E Benchmark Bayern“. Kosten: im Schnitt 1.550 Euro pro Teilnehmer.

Wie etwa gering qualifizierte Kräfte auf ganz neue Art vorangebracht werden, zeigt Siemens in Regensburg. Das Werk produziert mit rund 1.200 Beschäftigten vor allem Fehlerstrom-, Leitungs- und Brandschutzschalter für elektronische Energieverteilung. Die Fertigung wird zunehmend automatisiert, insbesondere bei den einfachen Tätigkeiten.

Daher durchlaufen nun 19 an- und ungelernte Mitarbeiter werksintern in einer eigenen Qualifizierungsklasse die Ausbildung zum Industriemechaniker. Das Besondere: Sie beziehen weiter ihr volles Gehalt, werden aber 28 Monate lang von der normalen Arbeit freigestellt.

Der Lehrstoff ist auf den Bedarf älterer Jahrgänge abgestimmt. Die Teilnehmer haben ja viele praktische Vorkenntnisse, dafür aber oft wenig Lernerfahrung. „Langjährige Mitarbeiter erhalten durch die Qualifizierung neue Perspektiven im Unternehmen“, sagt Personalleiterin Renate Birzer. Bisher haben sie einfache Tätigkeiten ausgeübt, etwa Teile in Handarbeit montiert. Nach dem Abschluss können die neuen Fachkräfte zum Beispiel Roboter warten und programmieren. Damit steigt dann auch ihr Lohn. Derzeit profitieren davon vor allem ungelernte Frauen in der Produktion.

„In den Auswahlgesprächen hat sich gezeigt, dass es oft die privaten Rahmenbedingungen waren und weniger mangelnde Fähigkeiten, die eine Berufsausbildung verhindert hatten“, so Birzer, „alle Teilnehmer waren in praktischer Arbeit schon sehr gut.“ Jetzt eignen sie sich weitere Kompetenzen an – etwa wenn es darum geht, Fehler an Maschinen einzuordnen und zu beheben.

Damit machen sie, wie auch die Teilnehmer anderer Weiterbildungsmaßnahmen im Werk, ihre Jobs sicherer für die Zukunft. „Uns geht es um die Wettbewerbsfähigkeit am Hochlohnstandort Deutschland und darum, wie wir auf massive Veränderungen am Arbeitsmarkt reagieren“, erklärt Stephan Schlauß, Initiator des Programms und ehemaliger Standort- und Werkleiter, der inzwischen Werkleiter in Erlangen ist. Unterstützt wird das Qualifizierungsprogramm von der örtlichen Agentur für Arbeit.

Gesundheit wird immer mehr gefördert

Die Gesundheit ihrer Belegschaften ist den Firmen ebenfalls immer mehr Geld wert: „Die Unternehmen haben ihre Aktivitäten im Bereich Betriebliche Gesundheitsförderung in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut“, beobachtet die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.

Ein Blick in die Produktion bei BSH Hausgeräte in Dillingen zeigt, was Betriebe so alles für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter leisten. Die Bosch-Tochter legt großen Wert darauf, ihre Leute für Gesunderhaltung und Vorsorge zu sensibilisieren – und die Risikofaktoren in den Werken zu verringern. Daher arbeiten Fertigungsplaner, Betriebsärzte und Sicherheitsingenieure bei der Planung neuer Arbeitsplätze und der Umgestaltung bestehender Fertigungslinien zusammen.

Hintergrund: Die Belegschaften altern. Im Jahr 2013 wurde deshalb das konzernweite Projekt „Demografischer Wandel in der Fertigung“ gestartet. Man will die Mitarbeiter „alternsgerecht“ – so das Fachwort – beschäftigen.

Um die körperliche Belastung in der Produktion zu bewerten, setzt das Unternehmen inzwischen auf eine spezielle Methode, die von Arbeitswissenschaftlern entwickelt wurde: Es geht da etwa um Körperhaltung und Belastung der Extremitäten. Bei BSH werden nun sukzessive alle Arbeitsplätze in der Fertigung geprüft – und nach Möglichkeit umgestaltet.

„Die steigenden Anforderungen an alternsgerechte und ergonomische Arbeitsplätze bringen neue Herausforderungen mit sich, denen wir uns stellen müssen.“ So sagt es Manuel Rettinger, Gruppenleiter für Arbeitsplanung in der Fertigung in dem Werk, in dem 2.500 Mitarbeiter Spülmaschinen herstellen. „Dabei werden wir insbesondere stärker auf montagegerechte Produktgestaltung sowie Automatisierungs- und Digitalisierungslösungen setzen.“

Damit setzt sich ein Prozess fort, der nicht nur bei der BSH schon vor Jahren begonnen hat. Sowohl das Werk in Dillingen als auch die übrigen Standorte des Haushaltsgeräteherstellers verfügen über ergonomische Arbeitsplätze, Über-Kopf-Arbeiten wird möglichst vermieden. Maschinen helfen beim Handling schwerer Produkte, zudem gibt es höhenverstellbare Fördertechnik und kippbare Bänder.

Job und Familie lassen sich gut vereinbaren

Auch in die Vereinbarbeit von Job und Familie stecken Betriebe viel Zeit und Geld. 90 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Firmen, „die über die flexiblen Arbeitszeitmodelle hinaus zusätzliche Maßnahmen anbieten“. Das zeigte kürzlich eine bundesweite Umfrage unter Metall- und Elektro-Unternehmen.

Ein Beispiel: Messtechnik-Hersteller Wika, der allein am Firmensitz in Klingenberg am Main rund 2.000 Mitarbeiter hat. Hier wurde 2008 die Kinderkrippe „Wikalino“ eröffnet. Betreiber ist die Stadt, sie stellt auch das Personal. Das Unternehmen steuert Zuschüsse bei und kümmert sich um die Ausstattung des Gebäudes, das die Firma gekauft hat – praktischerweise liegt es direkt gegenüber dem Werkgelände. In der Krippe werden 24 Kinder bis zum Alter von drei Jahren betreut, rund die Hälfte sind von Wika-Mitarbeitern. Das frühe Öffnen um 6.45 Uhr ist auf den Beginn der Arbeitszeit in der Produktion abgestimmt.

Wika-Ausbildungsleiterin Yvonne Busch, die sich auch ums Thema Kinderbetreuung kümmert, hat beobachtet: „Mütter wollen heute früher wieder zurück in den Beruf. Und wir brauchen sie.“ Dieses Thema sei in den vergangenen Jahren noch wichtiger geworden.

Zudem organisiert Wika, wiederum gemeinsam mit der Stadt, eine Ferienbetreuung für Kinder von 3 bis 13 Jahren. Eltern können sie für die Oster-, Sommer- und Herbstferien buchen.

Wie bei der Krippe übernimmt Wika einen Teil der Kosten. Und auch hier sind rund die Hälfte der Plätze für Kinder von Mitarbeitern reserviert. Allein im letzten Sommer waren 200 Kinder dabei. Um solche Angebote auf den Weg zu bringen, braucht man laut Busch „einen guten Draht zur Kommune – und die volle Rückendeckung der eigenen Geschäftsführung“.

Was Eltern auch jenseits der Ferien das Leben leichter machen kann: Teilzeitmodelle. Die gibt es hier sogar in der Produktion. Rund 80 Mitarbeiter, meist Frauen, betreiben dort Job-Sharing: Je zwei Beschäftigte teilen sich einen Schichtarbeitsplatz.

Beruf und Familie – da stellt sich oft auch die Frage, wie es mit den alten Eltern weitergeht, wenn sie pflegebedürftig werden. Wika kooperiert da mit einer Tagespflegeeinrichtung der Caritas. Das Unternehmen unterstützt mit finanzieller Hilfe. Im Gegenzug seien vier Tagespflegeplätze für Eltern von Beschäftigten reserviert, berichtet Busch. „Je nach Situation kann es für unsere Mitarbeiter von großem Vorteil sein, wenn es mit der Betreuung der Angehörigen tagsüber auf diese Weise schnell und unkompliziert klappt.“

Und für die Personalerin ist klar: „Auch dieses für unsere Leute wichtige Thema müssen wir als Unternehmen natürlich im Auge haben.“

Dieses AKTIV-Themen-Special bietet einen umfassenden Überblick mit Zahlen, Fakten und Hintergründen zur Tarifrunde. Hier geht’s zur Einführung.

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