München. Hinsetzen, Chip reinwerfen, losdüsen – und je nach Laune: andere rammen. Nach 90 Sekunden bleibt der glitzernde Wagen stehen. Wer will, wirft einen weiteren Chip rein und dreht noch eine Runde. So geht Autoscooter – ein klassischer Fahrspaß auf Volksfesten.
Damit ist die Münchner Schaustellerfamilie Distel schon seit 80 Jahren erfolgreich unterwegs. Und hinter diesem Geschäft steckt mehr, als an der Kasse Chips zu verkaufen und Gäste mit Sprüchen wie „Einsteigen und dabei sein!“ anzulocken. Dass sich der kleine Betrieb mit dem traditionellen Fahrgeschäft seit Jahrzehnten behaupten kann, ist kein Selbstläufer.
Die Konkurrenz auf Volksfesten ist hart
„Wir müssen uns jedes Jahr für jedes Volksfest neu bewerben“, erzählt Heiner Distel. Er ist 35 Jahre alt und führt zusammen mit seinem gleichnamigen Vater das Unternehmen, auch seine Frau und seine Mutter arbeiten mit. „Früher haben wir bei den Veranstaltern ein DIN-A 4-Blatt eingereicht – heute brauchen wir dafür einen Hochglanz-Katalog.“ Und heute ist professionelles Marketing – inklusive Social Media im Web – ebenso wichtig wie technisches Know-how und Unternehmergeist.
Der Wettbewerb ist hart. Bundesweit gibt es etwa 120 Autoscooter- Unternehmen. Und auf dem Oktoberfest, dem profitabelsten Volksfest des Jahres, kämpfen neben den Distels vier weitere Autoscooter um die Kundschaft. Dazu kommen viele andere faszinierende Fahrgeschäfte. Insgesamt leben knapp 5.000 Schausteller vom Geschäft auf den etwa 10.000 Volksfesten im Lande. Sie beschäftigen nach Angabe ihres Branchenverbands rund 23.000 Menschen.
Um im Rennen zu bleiben, hat Familie Distel vor zehn Jahren in einen ganz neuen Autoscooter investiert. Kostenpunkt: 1,2 Millionen Euro. An der raffinierten Konstruktion sind 100.000 LED-Lämpchen angebracht, die mit moderner Steuerungstechnik in 365.000 verschiedenen Farben leuchten können. Selbst die Stangen am Auto flimmern bunt, wenn die Fahrgäste über die 14 mal 24 Meter große Fahrbahn sausen.
„Wichtig ist für uns, dass wir die Anlage platzsparend transportieren und möglichst einfach auf- und abbauen können“, sagt Distel. Das passiert auf zehn Volksfesten pro Jahr. Mit sechs 40-Tonnern rücken die fünfköpfige Familie und sechs Saisonarbeiter auf dem jeweiligen Festplatz an. Die südlichste Stadt ist Rosenheim, die nördlichste das hessische Bad Hersfeld.
„Als Erstes messen wir die Fläche aus und prüfen die Bodenbeschaffenheit. Schließlich muss der Scooter ja gerade stehen“, erklärt Distel. Und dann brauchen die Fachmänner Fingerspitzengefühl. Von zwei Tiefladern muss das Gerät auf den Zentimeter genau abgestellt werden – bevor es teilweise per Fernbedienung aufgeklappt wird. Das funktioniert hydraulisch und dauert nur ein paar Stunden.
„Wir achten darauf, dass wir so wenig Leerlauf wie möglich haben“, sagt der Chef. Denn der Kostendruck ist ein ständiger Begleiter. Standmieten, Strom, Personal und Versicherungen müssen bezahlt werden – und Investitionen. So müssen die 28 Fahrzeuge alle fünf, sechs Jahre ausgetauscht werden.
Klar also, dass die Distels, wenn die Volksfest-Saison Ende Herbst vorbei ist, nicht die Hände in den Schoß legen. „Im Winter sind wir mit unserem Feuerzangenbowlenstand auf Weihnachtsmärkten.“
Früher Schallplatten, heute Streamingdienste
Um eine Sache müssen sich die Schausteller aber keinen großen Kopf mehr machen: „Früher haben wir sehr viel Zeit damit verbracht, die angesagte Musik zu besorgen“, so Distel. Die ist zwar immer noch ein wichtiger Attraktivitätsfaktor – aber der Aufwand ist viel geringer: Heute gibt’s Streamingdienste.
Die Musik war der Grund dafür, dass Autoscooter in den 80er-Jahren zum Jugendtreff wurden. „Damals wurde in den Festzelten fast nur Volksmusik gespielt, da waren wir Disco-Ersatz“, erinnert sich der Schausteller. „Heute ist unsere Klientel sehr gemischt – und die Leute fahren moderater.“
Was ist am Schausteller-Leben so reizvoll? Schließlich ist man nur selten zu Hause … „Genau das ist es“, kontert Heiner Distel senior, und sein Sohn pflichtet ihm bei: „Wir kommen viel rum, lernen immer wieder neue Leute kennen.“
Nur einen Nachteil für die Familie hat das Ganze. „Wir waren beide ab der ersten Klasse im Internat. Das gehört leider dazu. Da muss mein Sohn auch bald durch.“ Der ist allerdings gerade mal anderthalb Jahre alt. Ob er später das Steuer der Firma übernehmen wird? Bisher hat es bei Distels jedenfalls immer geklappt mit der Unternehmensnachfolge.
Wo kommt der Autoscooter her?
- Den weltweit ersten Autoscooter gab es wohl in New York im Jahr 1906: Im Vergnügungspark Coney Island liefen die kleinen Fahrzeuge noch auf Schienen.
- Autos gab es damals nur sehr wenige. Die Idee, auf dem Rummel Fahrspaß für alle zu ermöglichen, schlug ein.
- In Deutschland hatte der Autoscooter erst 1926 Premiere, auf der Messe „Große Ausstellung Düsseldorf“.