Hagen. Der 8. 8. 88, ein absolutes Glücksdatum! An diesem Tag begann Marco Luciani seine Ausbildung als Zerspanungsmechaniker – und ja, es hat ihm Glück gebracht. Die Eltern wollten, dass er weiter zur Schule geht und mehr als den Hauptschulabschluss schafft. Aber er hatte es nicht so mit Schule. Lieber spielte er Fußball oder schraubte am Mofa …
Und doch ist aus dem Jungen was geworden! Der nun 45-Jährige ist Ausbildungsleiter bei Waelzholz am Stammsitz Hagen und zuständig für alle 80 gewerblich-technischen und kaufmännischen Azubis an den vier deutschen Standorten des Familienunternehmens. Luciani sucht den Firmennachwuchs aus und koordiniert den Ausbildungsablauf.
Waelzholz ist führender Produzent von kaltgewalztem Bandstahl und hat allein in Deutschland über 1.500 Mitarbeiter. „Ich bin mit ihnen allen sehr gut vernetzt“, sagt der Ausbildungsleiter: „Denn die Kenntnisse kriegen die Azubis von unseren Mitarbeitern vor Ort vermittelt, nicht von mir. Ich muss nur wissen, wann ich welchen Auszubildenden wo einteile.“
Luciani betreut übers Jahr auch rund 100 Schülerpraktikanten und sichtet mehr als 500 Bewerbungen. Weil es insgesamt weniger Nachwuchs gibt und die Mehrzahl der Jugendlichen zur Uni möchte, muss er sich anstrengen, um genug Bewerber zu bekommen. In 15 Schulen informiert er über Berufe und übt Vorstellungsgespräche. Sogar Mathe unterrichtet er: Da lässt er die Jungs und Mädels etwa die Drehgeschwindigkeit eines Bohrers ausrechnen. Hauptschüler können bei ihm punkten: „Ich achte nicht nur auf Noten. Ich will die Praktiker.“
Viele Schüler glauben, man entscheide sich für etwas und mache dann den Job ein Leben lang, weiß Luciani. Aber so tickt man heute nicht mehr. Sein eigener Lebenslauf ist das beste Beispiel: Lehre als Zerspanungsmechaniker, jahrelang in der Instandhaltung, dann Ausbilderschein, Seminare über Mitarbeiterführung, Arbeitsrecht und Arbeitssicherheit und immer mehr Verantwortung. „Ich kann junge Leute nur ermutigen, mit einer Ausbildung zu starten. Wenn sie mehr wollen, können sie sich weiterbilden.“
Mit den Neuen fährt Luciani erst mal für drei Tage weg, nach Kalkar am Niederrhein. Dabei achtet er darauf, dass sich gewerbliche und kaufmännische Azubis mischen. Das Gleiche gilt dann später im Betrieb: So schickt er etwa angehende Kaufleute in die Produktion. Jeden Arbeitsschritt erleben sie so, bis „ihr Coil“ im Lager versandfertig liegt. Damit sie wissen, wie das Material für Scheibenwischer, Skikanten oder Ketten entsteht, bevor sie Kunden beraten.
Jedem Ausgelernten garantiert Waelzholz, ihn für mindestens ein Jahr zu übernehmen. Dafür wird der Bedarf sorgfältig geplant. „Wir müssen fünfeinhalb Jahre in die Zukunft schauen – und ausrechnen, wie viele Mitarbeiter wegen Rente oder Kündigung ausscheiden werden.“
Ein bisschen Ersatzvater ist Luciani auch. Er organisiert Nachhilfe und spricht stundenlang mit den Berufsschullehrern darüber, wie seine Leute sich beteiligen und benehmen. „Jede Klassenarbeit geht über meinen Schreibtisch“, sagt er. Steht einer auf Vier, bespricht er mit ihm, wie die Drei zu schaffen ist. Aber man muss auch ein offenes Ohr für die Probleme haben: Krankheit in der Familie, die Freundin hat einen sitzen lassen …
Kaum zu glauben, aber er findet auch Zeit fürs Ehrenamt. Luciani ist im Prüfungsausschuss für Verfahrens- und Zerspanungsmechaniker der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer Hagen. Und seit sechs Jahren ist er auch ehrenamtlicher Arbeitsrichter und vertritt die Arbeitnehmerseite in Konflikten, bei denen es um Abmahnung oder Kündigung geht.
Auch ohne Jurastudium fit im Ehrenamt
Die Ehrenamtlichen, je einer für die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, sowie ein Berufsrichter fällen ein Urteil, wenn Parteien sich nicht einigen wollen. Luciani kann das auch ohne Jurastudium: „Aus meiner Berufserfahrung weiß ich halt, das und das darf man nicht. Oder wir hatten vor Jahren schon etwas Ähnliches.“ Zudem lerne man, wie es in anderen Betrieben aussieht – und den eigenen zu schätzen. „Bei uns arbeiten Geschäftsführung und Betriebsrat gut zusammen“, sagt das ehemalige Betriebsratsmitglied.
Nur aus der Fußballkarriere wurde nichts. 30 Jahre hat der Deutsch-Italiener gekickt – bis in die Landesliga. Nach einem schweren Kreuzbandriss spielt er nur noch mit den Kollegen: „Sich anstrengen, schwitzen und danach ein Bier zusammen trinken – und gut ist es.“
Persönlich
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Waelzholz wollte Zerspanungsmechaniker ausbilden und brauchte jemanden mit Ausbilderschein. Ich war einer von nur drei Zerspanungsmechanikern im Haus, und das Unternehmen finanzierte mir diese Weiterbildung.
Worauf kommt es an?
Auf den Gesamtüberblick, welche Mitarbeiter wir künftig brauchen, und dann auf die richtige Aus-wahl. Wer Spaß an der Arbeit hat, ist erfolgreich.
Was reizt Sie dran?
Mit jungen Menschen zu tun zu haben. Wenn einer einen Fehler gemacht hat, müssen Konsequenzen folgen, aber auch die Erklärung, was er beim nächsten Mal besser machen kann.