Physiotherapie, Restaurantbesuch oder Klavierstunde – für viele Leistungen macht man vorab einen Termin aus. Klar, wer früh genug absagt, muss nichts zahlen. Welche Frist dafür ausreicht, ist unterschiedlich. „Als Faustregel gilt: Der Anbieter muss eine realistische Chance haben, den Termin anderweitig zu vergeben“, erklärt der Kölner Rechtsanwalt Harald Rotter, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Allgemeinanwälte des Deutschen Anwaltvereins.

Doch darf der Anbieter Geld verlangen, wenn man den Termin verschwitzt oder ganz kurzfristig absagen muss? „Die Gerichte haben diese Frage ganz unterschiedlich entschieden“, sagt Harald Rotter. „Mal musste das Honorar gezahlt werden, mal gab es Schadenersatz, mal gab es gar nichts.“ Trotzdem kann man ein paar Grundsätze für eine solche No-Show-Gebühr erkennen, auch wenn damit nicht jeder Einzelfall abgedeckt sein dürfte.

Termine bei Ärzten und Heilpraktikern

Vergisst man mal einen Termin, hat der Mediziner keinen Anspruch auf sein Honorar, es sei denn, dies wurde ausdrücklich vereinbart. Er hat aber theoretisch Anspruch auf Schadenersatz. „Allerdings kann der Arzt die Höhe des Schadens meist nicht beweisen“, so der Anwalt. Schließlich ist es ja meist reine Theorie, was er in der Zeit mit einem anderen Patienten verdient hätte. Im Normalfall sind die Wartezimmer außerdem voll, der Mediziner kann in der frei gewordenen Zeit also sofort den nächsten Patienten drannehmen. „In der Praxis ist das Risiko, zahlen zu müssen, nur gering“, erklärt Rotter.

Eine Ausnahme sind allerdings besonders vereinbarte Termine für spezielle Behandlungen, beispielsweise eine Augen-OP. Dann ist es wahrscheinlich, dass der Patient mindestens die entstandenen Kosten, eventuell auch noch das Honorar für den Arzt zahlen muss. Schließlich hat der Arzt diese Zeit ausdrücklich für den Patienten reserviert und konnte in der Zeit meist keinen anderen behandeln.

Einige Ärzte verlangen beim ersten Termin, dass man ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen unterschreibt. Darin steht oft, dass man bei einem verpassten Termin ein Pauschalhonorar bezahlen muss. Auch hier ist die Rechtsprechung uneinheitlich. „Je deutlicher und eindeutiger der Passus hervorgehoben ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass man zahlen muss“, sagt Rotter. Grundsätzlich darf der Stundensatz aber nicht völlig überzogen sein. Größenordnungen von 75 Euro pro Stunde gelten jedoch auf jeden Fall als angemessen.

Termine mit Dienstleistern

Verpasst man einen fest eingeplanten Termin, beispielsweise beim Masseur, hat der Anbieter ja praktisch keine Möglichkeit mehr, in dieser Zeit einen anderen Kunden zu behandeln. Für den Dienstleister entsteht also ein echter Verdienstausfall. Deshalb muss man das Honorar bezahlen, obwohl man gar keine Gegenleistung erhalten hat. Kann der Dienstleister in der Zeit einen Spontankunden bedienen, muss er die damit erzielten Einnahmen aber verrechnen. Der Praxistipp vom Harald Rotter: „Wenn ich merke, dass ich es nicht schaffe, kann ich einen Freund bitten, meinen Termin zu übernehmen.“

Diese Regelungen gelten beispielsweise auch für die Physiotherapie, Friseure, Kosmetikerinnen, Psychologen, Berater, Fitnesstrainer, Musiklehrer und Ähnliches. Wenn ein solcher Anbieter nach einem geplatzten Termin keine Rechnung stellt, ist das also reine Kulanz. Oft muss man beim ersten Termin auch eine Vereinbarung unterzeichnen, in der eine entsprechende Ausfallzahlung ausdrücklich geregelt ist. 

Mehr zum Thema

Termine für Verkaufsberatungen

Kommt der Küchenberater ins Haus oder hat man einen Termin mit einem Versicherungsvertreter, handelt es sich juristisch gesehen um ein Verkaufsgespräch. Das Gespräch führt der Berater ja, weil er hofft, dass der Kunde anschließend einen Vertrag abschließt. Verpasst man den Termin, ist dies das Risiko des Verkäufers. „Der Berater kann ja nicht beweisen, dass das Verkaufsgespräch tatsächlich zu einem Abschluss geführt hätte. Deshalb kann er auch keinen Schaden geltend machen“, so der Jurist.

Das gilt übrigens auch für Immobilienmakler, die ohnehin nur im Erfolgsfall bezahlt werden. Sie müssten nämlich beweisen, dass der Interessent das Haus ganz sicher gekauft hätte, wenn nur der Termin stattgefunden hätte. Doch der Beweis ist natürlich praktisch unmöglich.

Termine mit Handwerkern und Lieferanten

Handwerker, die für einen Kostenvoranschlag vorbeikommen möchten, dürfen einen verpassten Termin nicht in Rechnung stellen. Das steht in Paragraf 632, Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Ausnahme: Es wurde vorher ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Steht der Handwerker dagegen vor verschlossenen Türen, obwohl man beispielsweise die Reparatur des tropfenden Wasserhahns fest ausgemacht hat, muss man den zusätzlichen Zeitaufwand für die Anfahrt bezahlen.

„Vereinbart der Kunde anschließend keinen neuen Termin, erhält der Handwerker sogar die gesamte vereinbarte Vergütung, selbst wenn er überhaupt nicht gearbeitet hat“, erklärt der Jurist. In diesem Fall muss der Handwerker aber ersparte Aufwendungen abziehen.

Auch wenn man den Liefertermin für das neue Sofa verpennt, darf das Möbelhaus die dadurch entstandenen zusätzlichen Lieferkosten in Rechnung stellen. Schließlich ist der Laster ja auch zweimal vorgefahren.

Hotelbuchungen

„Mit der Hotelbuchung kommt ein Beherbergungsvertrag zustande“, sagt Harald Rotter. Man muss also bezahlen, egal ob man die Leistung in Anspruch nimmt oder nicht. Allerdings muss der Hotelier ersparte Kosten abziehen, beispielsweise für Essen, das man nicht verzehrt. „Kann der Gast beweisen, dass das Hotel trotz der Absage komplett ausgebucht war, bekommt der Hotelier nichts“, so der Jurist.

Viele Hotels werben allerdings mit kostenlosen Stornomöglichkeiten. Hier sollte man Stornierungsmails oder Ähnliches sicherheitshalber aufheben, damit man beweisen kann, dass man innerhalb der vereinbarten Frist abgesagt hat.

Reservierungen und Bestellungen im Restaurant

Hat man die Tischreservierung im Restaurant versehentlich nicht abgesagt, ist das normalerweise ohne größeres Risiko. „Der Vertrag kommt grundsätzlich erst mit der Essensbestellung zustande“, erklärt Rotter. Kann der Wirt allerdings beweisen, dass er wegen der Reservierung anderen Gästen absagen musste, kann er Schadenersatz verlangen.

In der Praxis wird das vor allem bei angesagten Restaurants der Fall sein, die lange im Voraus ausgebucht sind. Allerdings wird es schwierig, die Höhe des Schadens zu beziffern, weil man ja nicht weiß, was die Gäste gegessen hätten, denen der Wirt abgesagt hat.

Ausnahme: Man hat – beispielsweise für eine Familienfeier – ein Büfett für zwölf Personen bestellt. „Damit ist ein Bewirtungsvertrag abgeschlossen, und man muss das Essen auch bezahlen, wenn die Feier platzt“, weiß Harald Rotter.

Reservierungen von Waren

Wenn Geschäfte beispielsweise Kleidung, Möbel oder andere Artikel für Kunden reservieren, gibt es meist keine Probleme. „Eine unverbindliche Reservierung verpflichtet zu nichts“, erklärt Harald Rotter. Wurde jedoch ausdrücklich vereinbart, dass man die Ware später bezahlt und abholt, ist damit juristisch gesehen bereits ein Kaufvertrag zustande gekommen. Ohne etwas Schriftliches wird sich in der Praxis aber kaum ein Händler darauf berufen.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

Alle Beiträge der Autorin