München. In schweren Zeiten muss man zusammenhalten. Und wohl selten stand die deutsche Industrie vor so großen Herausforderungen wie derzeit. Corona-Pandemie, globale Handelsstreitigkeiten, Strukturwandel: Betriebe bangen um ihre Zukunft, Mitarbeiter um ihre Jobs. Beide Seiten kämpfen mit den gleichen Herausforderungen – und werden sie nur gemeinsam bewältigen.
„Das größte Problem für die Betriebe ist aktuell die große Unsicherheit“, analysiert Christoph Kaserer, Professor für Betriebswirtschaft an der TU München. Das Corona-Virus habe man noch nicht im Griff. „Und die Lage bei wichtigen Handelspartnern in den USA und Europa ist noch viel kritischer als bei uns.“
Um im Wettbewerb zu bestehen, muss die Industrie den Strukturwandel meistern
Einzig Asien entwickelt sich derzeit wirtschaftlich einigermaßen stabil. „Unsere Verflechtung mit dieser Region stützt uns aktuell enorm“, sagt Kaserer. Kritik an der Globalisierung, die seit Beginn der Pandemie auch angesichts gestörter Lieferketten zugenommen hat, hält er für einen Fehler. „Deutschland ist einer der größten Globalisierungsgewinner – und wäre bei einer Entflechtung der Weltwirtschaft einer der größten Verlierer.“
Der offene Zugang zum Weltmarkt hilft nicht nur beim Absatz der eigenen Produkte, sondern auch beim Import von Waren. Insbesondere der sichere Zugang zu Rohstoffen gilt in der Industrie als zentrales Element der Zukunftssicherung. Der Erfolg in vielen zukunftsträchtigen Technologiefeldern, etwa der Elektromobilität, hängt unter anderem davon ab.
Digitalisierung krempelt Produkte und Produktionsprozesse um
Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, kommt es für die deutsche Industrie vor allem darauf an, den Strukturwandel zu meistern. Die Digitalisierung wird in vielen Branchen nicht nur Produkte und Produktionsprozesse umkrempeln, sondern auch von den Mitarbeitern viel fordern, insbesondere Lernbereitschaft und Flexibilität. Die Auto-Industrie steht zudem vor epochalen Veränderungen in Sachen Antrieb. „Der Wohlstand in unserem Land hängt maßgeblich davon ab, ob diese Umbrüche gelingen“, prognostiziert Kaserer.
Zentral seien dabei die Innovationen aus den Unternehmen. Auch wenn die deutsche Industrie zuletzt international an Boden verloren habe, stehe sie immer noch hervorragend da, urteilt er.
Klar ist laut Kaserer aber auch: Zum Erfolg gehört mehr, als Forschungsstandort zu sein und die besten Produkte zu entwickeln. „Wenn wir hier Arbeitsplätze und Wohlstand sichern wollen, müssen wir Produktionsstandort bleiben“, fordert er.
Eine Voraussetzung dafür seien wettbewerbsfähige Arbeitskosten. Löhne dürften sich langfristig nicht vom Produktivitätswachstum entkoppeln. Seit der Finanzkrise sei dies jedoch in Teilen geschehen. „Jedem ist eigentlich klar, dass dies nicht so weiterlaufen kann“, erklärt der Experte.

Gefährlich sei vor allem, dass der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit ein schleichender Prozess sei. „Zu hohe Tarifabschlüsse sind auf Dauer ein echtes Problem“, sagt er. „Gerade in der aktuellen Situation könnte daher auf Arbeitnehmerseite ein wenig Zurückhaltung nicht schaden.“
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