Berlin/Köln. Es ist der teuerste Abriss der deutschen Geschichte: der Rückbau der Atommeiler. Monatelang haben Wirtschaft und Politik darum gerungen, wer in welchem Umfang für diese Mammutaufgabe aufkommt.
Schließlich ist es, anders als bei herkömmlichen Gebäuden, nicht mit der Abrissbirne oder einem Sprengmeister getan. Vielmehr geht es um die sichere Entsorgung und Lagerung radioaktiven Materials. Seit Ende April liegt eine Lösung auf dem Tisch. „Es ist für alle Beteiligten gut, dass sich endlich eine Vereinbarung abzeichnet, die die Verhältnisse ordnet“, sagt Professor Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln.
Energiekonzerne sollen 23 Milliarden in einen Fonds zahlen
Geht es nach der sogenannten Atomkommission, in der 19 Experten aus Politik, Wissenschaft und Industrie vertreten sind, sollen die Betreiber den Rückbau und die Verpackung des Atommülls bezahlen. Dafür haben Eon, EnBW, RWE und Vattenfall über 40 Milliarden Euro zurückgestellt.
Gut die Hälfte davon sollen sie in einen staatlichen Fonds zahlen. Daraus sollen Zwischen- und Endlagerung finanziert werden. Im Bericht der Kommission heißt es dazu: „Gegen eine vollständige Einzahlung von 23,3 Milliarden Euro würden die Risiken für die Zwischen- und Endlagerung auf den Staat übergehen.“ Umweltverbände befürchten deshalb, dass eine zu große finanzielle Haftung am Steuerzahler hängen bleiben wird.
„Die Kernenergie liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Staat und Unternehmen“, erläutert Energie-Ökonom Bettzüge den Hintergrund der Vereinbarung. „Schließlich geht das deutsche Kernkraftprogramm maßgeblich auf das Betreiben des Staates zurück.“
Insgesamt sollen in den nächsten Jahren sämtliche 32 Kernkraftwerke verschwinden. 8 davon sind noch in Betrieb und werden bis 2022 abgeschaltet. 9 von ihnen sind abgeschaltet, aber es gibt noch keine Rückbau-Genehmigung. Bis die kommt, vergehen Monate oder Jahre. Bei den übrigen 16 sind die Weichen für den Rückbau gestellt.
Als Erstes muss immer der nukleare Kern sicher entfernt werden, nachdem die Brennstäbe jahrelang runterkühlen konten. Danach erst dürfen die Kontrollanlagen abgebaut und die Reste des Gebäudes abgerissen werden. Bis es so weit ist, vergehen Jahrzehnte. Dazu kommt, dass es noch nicht mal ein Endlager gibt. Die Kosten für den kompletten Rückbau der Kraftwerke und die Entsorgung der gefährlichen Brennelemente könnten sich bis 2099 auf knapp 170 Milliarden Euro summieren, so das Wirtschaftsministerium.
Es klafft also eine Lücke von 130 Milliarden Euro im Verhältnis zu der 40-Milliarden-Rückstellung der Betreiber. Die Kommission jedoch geht davon aus, dass das Geld im Fonds gewinnbringend angelegt ist und die Höhe der Einlage in den nächsten Jahren deutlich steigt.
„Wie teuer der Rückbau letztendlich wird, liegt auch in der Hand des Staates“, so Bettzüge. „Viele Schritte müssen einzeln genehmigt werden. Jeder unnötige Zeitverzug trägt zur Verteuerung bei.“
Durchschnittlich 500 Millionen Euro kostet der Abriss eines Kernkraftwerks. Ein Milliarden-Markt für spezialisierte Rückbau-Unternehmen.