Berlin. Fehlenden Medikamenten hinterhertelefonieren – in deutschen Apotheken frisst das zunehmend Zeit. „Immer öfter bekommen wir vom Pharmagroßhändler zu hören, dass Arzneien derzeit nicht lieferbar sind“, berichtet zum Beispiel Apotheker Göran Donner aus der sächsischen Großen Kreisstadt Dippoldiswalde. Er müsse das dann seinen Kunden erklären und alternative Präparate für sie finden. Donner, der Vizepräsident der Sächsischen Landesapothekerkammer ist, zuckt mit den Schultern: „Früher galt Deutschland als Apotheke der Welt …“

Heute dagegen hängt die Versorgung oft vom Ausland ab. Wie bei dem in China hergestellten Blutdrucksenker Valsartan, der auf einmal Verunreinigungen aufwies. 40 Prozent der Valsartan-Präparate wurden zurückgerufen, viele sind noch immer nicht lieferbar.

Für viele Wirkstoffe gibt es nur zwei, drei Hersteller in Asien

Auch bei Antibiotika, Schmerzmitteln und Antidepressiva gibt es Lieferengpässe. „Das sind leider keine Einzelfälle“, sagt Andreas Aumann, kommissarischer Pressesprecher beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Im Schnitt sind etwa 200 Medikamente nicht lieferbar. Manche nur für wenige Wochen, manche für einige Monate, einzelne noch länger. Doch warum ist das so?

In den meisten Fällen handelt es sich bei den betroffenen Präparaten um Generika, also um Arzneien, deren Patentschutz abgelaufen ist. „Viele dieser Wirkstoffe werden wegen des Spardrucks in den Gesundheitssystemen zahlreicher Staaten nur noch in Asien hergestellt“, erklärt Aumann. Häufig gebe es nur zwei, drei Fabriken in China oder Indien. „Fällt dann eine Anlage aus, kann das weltweit zu Engpässen bei den Medikamenten führen, die den dort erzeugten Wirkstoff enthalten.“

Zu einem Gutteil sind die Lieferprobleme bei den Nachahmerpräparaten aber auch „politisch hausgemacht“, so Aumann. Denn seit zehn Jahren können Krankenkassen mit GenerikaHerstellern exklusive Rabattverträge abschließen und sich so Preisnachlässe sichern. Schließen sie für einen Wirkstoff nur mit ein oder zwei Firmen so einen Vertrag, ist das Risiko eines Lieferengpasses für ihre Versicherten natürlich recht hoch. „Zudem erzeugen diese Rabattverträge einen enormen Preisdruck auf die Herstellerfirmen und führen zu Marktkonzentration“, erklärt Aumann.

Aktuell kostet die tägliche Dosis eines Generikums hierzulande im Schnitt lediglich 16 Cent. Da können nur wenige Produzenten mithalten – die Top Ten von ihnen kommen in diesem durch Rabatte geregelten Bereich schon auf 71 Prozent Marktanteil. Und die Zahl der pharmazeutischen Unternehmen hierzulande sank binnen acht Jahren von rund 730 auf 580.

Eine Lösung des Problems ist noch nicht in Sicht

Alles in allem gibt es oft keine Alternative, wenn irgendwo bei einem Hersteller eine Maschine gestört ist, ein Grund- oder Hilfsstoff fehlt oder Chargen von einer Behörde gesperrt werden.

Doch was tun? Der Branchenverband BPI plädiert dafür, dass Krankenkassen bei Rabattverträgen stets auch einen Hersteller mit europäischer Produktion berücksichtigen müssen. Zudem sollten die Kassen solche Verträge mit mindestens drei Herstellern pro Wirkstoff abschließen. In der Öffentlichkeit wird auch eine Pflicht zur Vorratshaltung diskutiert.

Solange sich nichts ändert, sind Apotheker wie Göran Donner besonders gefordert. „Ist eine Arznei nicht lieferbar, schauen wir oft in Absprache mit dem Arzt nach einem adäquaten Ersatz. Die Gründe dafür müssen wir genau dokumentieren.“ Sonst kann es sein, dass die Kasse das Präparat nicht oder nur anteilig bezahlt.