Brotterode-Trusedal. Der Elektroschlepper fährt zügig, hinter sich beladene Anhänger mit Nachschub für die Montageplätze. Dutzende der leisen Fahrzeuge sind hier ständig unterwegs, in der Scheinwerferfabrik Automotive Lighting Brotterode (Thüringen). Es gilt die klare Ansage: Das Fahrzeug hat immer Vorfahrt, Mitarbeiter, die zu Fuß gehen, müssen aufpassen.
Klingt irgendwie gefährlich. Aber der Betrieb hat das Konzept gut durchdacht. Gelbe Absperrungen, vorgezeichnete Wege und knallige Signale zeigen überall an, was Sache ist. Genauso wichtig: „Alle haben die Regeln intus, und wenn alles gut organisiert ist, ist Arbeitsschutz vor allem Kopfsache.“
Das sagt einer, der es wissen muss: Stephan Spangenberg. Er ist hier seit sechs Jahren für Arbeitssicherheit, Gesundheit und Umwelt verantwortlich. Mit Erfolg. Die Zahl der Unfälle ist kontinuierlich gesunken. Schwere Unfälle sind nun extrem selten im Werk, in dem rund 750 Beschäftigte Pkw-Frontscheinwerfer etwa für Audi, Daimler und VW produzieren: Schon seit eineinhalb Jahren hat es hier keinen einzigen meldepflichtigen Arbeitsunfall mehr gegeben!
Die Firma in Brotterode, die zur italienischen Gruppe Magneti Marelli gehört, bestätigt einen generellen Trend. Bundesweit hat sich die Zahl der Arbeitsunfälle seit 1995 mehr als halbiert – trotz heute höherer Beschäftigung (mehr dazu: ao5.de/arbeitsschutz).
Auch in der Metall- und Elektro-Industrie (M+E) wird die Arbeit immer sicherer. Das weist die gesetzliche Unfallversicherung aus, die übrigens allein von den Arbeitgebern finanziert wird.
Arbeit wird immer sicherer – das gilt auch in der Industrie
AKTIV hat die beiden Berufsgenossenschaften Holz und Metall (BGHM) sowie Energie – Textil – Elektro – Medienerzeugnisse (BG ETEM) um Einblick in ihre Statistiken gebeten. Ergebnis: In den letzten Jahren ist die Zahl der Unfälle bei M+E gesunken, trotz gewachsener Belegschaften.
Allerdings geschehen pro Jahr noch rund 200.000 meldepflichtige Unfälle bei M+E. Um diese Zahl weiter zu senken, bieten die Berufsgenossenschaften den Firmen vielerlei Hilfen. „Unsere Prävention wirkt“, heißt es dazu bei der BGHM – und das komme allen zugute: Besserer Arbeitsschutz „fördert Motivation und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten, krankheitsbedingte Ausfallzeiten können gesenkt und das Betriebsklima hierdurch positiv beeinflusst werden“.
Gabelstapler haben hier ausgedient
In Brotterode wird Prävention längst großgeschrieben. „Wir haben 2010 unser Arbeitssicherheitssystem umgekrempelt und optimiert“, sagt Spangenberg. Schwerpunkt war die interne Logistik, hier passierte zuvor am meisten. Auch, weil Gabelstapler durch die engen Gänge im verwinkelten Werk fuhren – und der Verkehr dauernd zunahm.
Mussten früher kaum 40 Teile pro Scheinwerfer montiert werden, sind es bei den elektronischen Wunderwerken von heute schon mal mehr als 600 Bauteile. Die Stapler wurden dann weitgehend ausgemustert, wie Spangenberg schildert. „Ganz wichtig waren auch Visualisierungen, damit jedem die mögliche Gefahr ständig bewusst ist.“ Zebrastreifen für Übergänge, rote Stapfen als Stopp-Signal für Fußgänger – klingt banal, wirkt aber.
Dazu kamen alle möglichen weiteren Maßnahmen. Beinahe-Unfälle werden zum Beispiel registriert und ausgewertet, um den Arbeitsschutz weiter zu verbessern.
Lohnt sich der ganze Aufwand? „Klar. Eine sichere Arbeitsumgebung ist die wichtigste Voraussetzung, um beste Qualität zu produzieren“, sagt Spangenberg. „Und ohne die könnte unser Standort im internationalen Wettbewerb nicht bestehen.“