Waiblingen. Wer mit Motorsägen Geld verdient, weiß natürlich genau, wie wichtig das Thema Sicherheit ist. Beim Weltmarktführer Stihl gilt das für die Produkte – und die Produktion. Ob Quetschungen oder Schnittverletzungen: Unfälle in der Fertigung gehen heutzutage meist auf Unachtsamkeit zurück. „Technologisch lässt sich da nicht mehr viel verbessern“, sagt Stihl-Ausbildungsleiter Günther Kahn. „Worauf es ankommt, ist schlicht und einfach der Faktor Mensch.“

Und genau hier setzt das Unternehmen früh an – mit dem Projekt „Junior-Sicherheitspartner“. Am Stammsitz in Waiblingen (Baden-Württemberg) werden seit ein paar Jahren jeweils vier Auszubildende des ersten Lehrjahrs in Sachen Arbeitsschutz und -sicherheit besonders geschult. Sie sollen Verantwortung übernehmen: in der Lehrwerkstatt wie in den Fachabteilungen, in die sie im zweiten Lehrjahr wechseln.

Der Anstoß dazu kam von Kahn, der das Konzept zusammen mit der Berufsgenossenschaft Holz und Metall und einer Trainerin erarbeitete. „Wir hatten auch im Ausbildungsbereich Unfälle, da wollten wir gegenhalten“, erklärt der 59-Jährige – und führt AKTIV in die Lehrwerkstatt. Dort öffnet Junior-Sicherheitspartnerin Julia Kugler eine kleine Box, in der ein Messer und ein Paar Handschuhe liegen. Die streift sich die angehende Mechatronikerin flugs über, bevor sie beginnt, mit dem Kabelmesser eine Isolierung zu entfernen.

„Beim Abmanteln haben sich viele in die Hand geschnitten“, sagt Kugler, „daher haben wir eingeführt, dass wir dabei Schnittschutzhandschuhe tragen.“ Weil die aber schnell vergessen werden, wenn sie in irgendeiner Schublade liegen, hat nun jeder Azubi seine eigene Box parat.

Sicherheitspartner dürfen ältere Kollegen ermahnen

Die Sicherheitspartner haben zum Beispiel auch eingeführt, dass beim Einspannen des Fräsers in die Spindel Schutzhandschuhe Pflicht sind. Oft sind es schon so kleine Veränderungen, die zu mehr Sicherheit beitragen. Die jungen Leute denken mit: Sie aktualisieren Anweisungen, hinterfragen Risikobereiche, analysieren Unfälle und schlagen Verbesserungen vor.

Nicht zuletzt gehen Kugler und ihre Teamkollegen mit offenen Augen durchs Werk. Sie dürfen und sollen auch ältere Kollegen ansprechen, etwa, wenn mal die Schutzbrille fehlt. „Es ist nicht so leicht, als junger Mensch einen routinierten Facharbeiter auf Sicherheitsmängel hinzuweisen“, weiß Kahn.

Das nötige Rüstzeug – Selbstbewusstsein inklusive – bekommen die Azubis in einer mehrtägigen Schulung vermittelt. Die wird auch anderen Firmen aus der Region angeboten. Aktuell sind 16 Azubis dabei, von Stihl, Porsche, Bosch, dem Getriebehersteller Getrag und dem Maschinenbauer Coperion.

Wie gut die Idee der Junior-Sicherheitspartner ist, zeigen diverse Auszeichnungen, etwa der Sicherheitspreis der Berufsgenossenschaft. Wie gut die Sache funktioniert, zeigt sich im Arbeitsalltag. Für konkrete Zahlen sei es noch zu früh, so Initiator Kahn. Aber: 2016 habe es im Ausbildungsbereich keine einzige Schnittverletzung gegeben und keinen schweren Unfall. „Die Sensibilität für das Thema ist stärker geworden“, sagt Kahn zufrieden.