Bonn. Arbeitszeitkonten, Homeoffice, moderne Teilzeit- oder Schichtmodelle: Die Wirtschaft tut viel, um Beschäftigten eine flexible und der Lebensphase angepasste Arbeitszeit zu ermöglichen. Noch mehr Flexibilität wäre besser, dafür müsste aber der Gesetzgeber ran!

„Das deutsche Arbeitszeitgesetz ist nicht mehr zeitgemäß. Es muss der Realität angepasst werden“, fordert zum Beispiel Professor Gregor Thüsing vom Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Uni Bonn. Unser Arbeitszeitgesetz in Deutschland stammt aus dem Jahr 1994! Also einer Zeit, in der es das Internet zwar schon gab, es aber noch lange nicht in der Alltagswelt der Beschäftigten angekommen war.

EU-Vorgabe bei Arbeitszeiten weniger rigide

Das deutsche Gesetz legt unter anderem die tägliche Arbeitszeit auf höchstens acht Stunden fest, in Ausnahmefällen dürfen es zehn sein. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie ist weniger rigide, sie gibt nur eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vor. „In Deutschland ist das strenger umgesetzt als nötig“, stellt Thüsing fest.

Theoretisch hat die Regierung das Thema auf der Agenda. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir werden über eine Tariföffnungsklausel im Arbeitszeitgesetz Experimentierräume für tarifgebundene Unternehmen schaffen, um eine Öffnung für mehr selbstbestimmte Arbeitszeit der Arbeitnehmer und mehr betriebliche Flexibilität in der zunehmend digitalen Arbeitswelt zu erproben.“

Arbeitnehmer in Österreich können flexibler entscheiden

Österreich macht es vor: Seit vergangenem Jahr ist es Arbeitgebern möglich, Mitarbeiter vorübergehend auch mal zwölf Stunden am Tag zu beschäftigen. „Ein Beispiel, wie das Arbeitsrecht der Wirklichkeit angepasst werden kann, ohne den Arbeitsschutz zu verletzen“, sagt der Professor. Denn Arbeitnehmer im Nachbarland können Zeiten, die über zehn Stunden pro Tag oder 50 pro Woche hinausgehen, ohne Benennung von Gründen ablehnen. Nehmen sie an, können sie entscheiden, ob sie sich die Mehrarbeit auszahlen lassen oder abfeiern wollen. Und wer ablehnt, darf nicht benachteiligt werden. „Österreich könnte als Vorbild dienen“, findet Thüsing.

Zeit für Pausen und weitere Regelungen

Hierzulande ist das Thema „Ruhezeit“ ein weiteres Problem für die Betriebe. Denn diese soll zwischen zwei Arbeitseinsätzen mindestens elf Stunden dauern. Das führt zu einem Dilemma: Es ist nicht geklärt, ob es bereits als Unterbrechung gilt, wenn man nach Feierabend noch eine E-Mail schreibt oder ein dienstliches Telefonat führt. „Geringfügige Unterbrechungen der Ruhezeit sollten erlaubt werden“, so Thüsing, „das wäre im Rahmen des Europarechts möglich.“

Mehr Rechtssicherheit wäre auch in einem anderen Punkt hilfreich. Im Frühjahr hat der Europäische Gerichtshof mit einem Urteil zur Arbeitszeiterfassung für Schlagzeilen gesorgt. Droht da etwa die flächendeckende Rückkehr der Stechuhr?!

Thüsing gibt Entwarnung: „Die Richter haben keine Pflicht zur Erfassung formuliert, sondern nur gesagt, dass der Arbeitgeber ein verlässliches System der Dokumentation zur Verfügung stellen muss.“ Vertrauensarbeitszeit bleibt damit also durchaus möglich – was man laut Thüsing ausdrücklich in unser Arbeitszeitgesetz schreiben sollte.