Mehr als der Hälfte der Niedersächsinnen und Niedersachsen überkommt ein mulmiges Gefühl, wenn sie an die wirtschaftliche Entwicklung ihres Bundeslands in den nächsten sechs Monaten denken. 54 Prozent erwarten, dass die konjunkturelle Talfahrt weitergeht. Und nur einer von zehn klammert sich an die Hoffnung, dass die Krise schon bald überstanden sein wird. Das ergab eine repräsentative Umfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach kürzlich im Auftrag der Drei-Quellen-Mediengruppe erstellt hat.

Mehr als jeder Zweite sorgt sich um die Betriebe

Darin zeigt sich, dass sich im Krisenjahr 2024 nicht nur die Konjunktur zusehends eingetrübt hat. Auch die Erwartungen der Menschen für das kommende Jahr haben sich deutlich verschlechtert. So glauben inzwischen 71 Prozent der Befragten, dass Deutschland kein attraktiver Wirtschaftsstandort mehr ist – zum Jahresanfang sagten das noch 63 Prozent. Zwar halten die Niedersachsen ihr Bundesland als Wirtschaftsstandort noch für attraktiver als den Rest der Republik. Aber auch hier ist die Zahl derer, die düstere Wolken am Horizont aufziehen sehen, rasant gestiegen: Sagte im Sommer 2023 noch knapp ein Drittel der Befragten, die Attraktivität des Standorts Niedersachsens habe sich verschlechtert, ist es im November 2024 knapp die Hälfte. „Dass die Menschen das Vertrauen in den Standort verlieren, ist ein Alarmsignal für alle Parteien“, sagt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Niedersachsenmetall und Geschäftsführer der Drei Quellen-Mediengruppe. Der offenbar tief sitzende Pessimismus zeige, wie dringend die Politik wieder Vertrauen aufbauen müsse.

Aber wo hat dieser Pessimismus seine Wurzeln? Drücken die zahlreichen Schreckensmeldungen über Branchenriesen wie VW, Continental oder die Meyer Werft auf die Stimmung? Oder greift die wirtschaftliche Talfahrt bereits in den Alltag der Menschen ein? Antworten auf diese Fragen geben die Ergebnisse der Allensbach-Studie.

55 Prozent der Niedersachsen meinen, dass die Politik sich unbedingt um die wirtschaftliche Lage der Unternehmen kümmern sollte.

Bürokratie nervt nicht nur Unternehmen – sondern auch die Bürger

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Diesen – schlechten – Eindruck haben die Bürger in Niedersachsen aktuell bei vielen Themen. Seien es übergreifende wie die elektronische Patientenakte oder alltagsnahe wie das Beantragen eines Personalausweises – immer häufiger verzweifeln die Menschen an den Anforderungen der Bürokratie. Gefragt nach den größten Herausforderungen, die Niedersachsen aktuell lösen muss, halten 60 Prozent die überbordenden Auflagen für das größte Übel.

Interessant: Im Jahr zuvor sahen die Befragten noch zwei andere Themen als dringlicher an. Diese finden sich nun in der aktuellen Umfrage auf den Plätzen 2 und 3: der Fachkräftemangel (59 Prozent) und – damit verbunden – der Mangel an ärztlicher Versorgung auf dem Land (57 Prozent).

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die große Unsicherheit, die in den Unternehmen herrscht, beeinflusst zunehmend auch die Haltung der Niedersachsen. Ob es um drohende Massenentlassungen und Standortschließungen geht wie bei VW, um öffentlichkeitswirksame Rettungen wie bei der Meyer Werft oder um die jüngste Ankündigung von Continental, sich von der Automotive-Sparte trennen zu wollen: Vorgänge wie diese bringen mittlerweile mehr als jeden zweiten Befragten dazu, sich Sorgen um die Zukunft der niedersächsischen Wirtschaft und insbesondere großer Industrieunternehmen zu machen. Zum Vergleich: Im Vorjahr trieb die Situation der niedersächsischen Unternehmen nur knapp jeden Dritten um.

Entsprechend deutlich fällt der Appell an die Politik aus: 70 Prozent der Befragten verlangen in diesem Sektor mehr Engagement von der Landesregierung. Kompetenz in wirtschaftlichen Fragen wird vor allem der CDU zugeschrieben (35 Prozent). Nur 22 Prozent halten in dieser Frage die SPD für besser geeignet.

40 Prozent der Niedersachsen schätzen ihren Arbeitsplatz als unsicher ein

Die anhaltend schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft führen auch dazu, dass sich die Niedersächsinnen und Niedersachsen zunehmend auch um ihre eigene wirtschaftliche Zukunft Gedanken machen. Der Wohlstand des Landes hängt stark an der Auto-Industrie, und viele Arbeitsplätze sind – direkt oder indirekt – mit dieser Industrie verbunden. Das Straucheln dieser Branche führt nun dazu, dass zunehmend mehr Menschen in Niedersachsen das Gefühl haben, ihre Zukunft nicht mehr verlässlich planen zu können.

Viele machen sich sogar schon Sorgen um ihren Arbeitsplatz. War zum Jahresbeginn die große Mehrheit der Berufstätigen noch davon überzeugt, die Entwicklung ihres Betriebs und die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes verlässlich einschätzen zu können, ist die Zahl derjenigen, die ihren Arbeitsplatz als unsicher einschätzen, seit Jahresbeginn von 29 auf 40 Prozent gestiegen. Dass das eigene Unternehmen in eine schwierige Lage kommt, befürchtet mittlerweile knapp die Hälfte der Beschäftigten – 13 Prozent mehr als zu Jahresbeginn.

Trotz des zwischenzeitlichen Rückgangs der Inflation macht sich übrigens die große Mehrheit weiterhin Sorgen um steigende Preise in der Zukunft: 84 Prozent sind unsicher, wie sich die Energiepreise entwickeln, 83 Prozent befürchten eine weitere Verteuerung der Lebensmittel.