Wer bei Bosch in Homburg ein duales Studium beginnen will, sollte Lust auf ein Quiz haben. „Ich bekam auf einem Bildschirm jeweils zwei Flugangebote gezeigt. Beide zum selben Ort, aber in Reisedauer und Preis unterschiedlich“, erinnert sich Christian Kirsch an seinen Aufnahmetest für einen Studienplatz als Wirtschaftsinformatiker. Die Aufgabe: Vergleichen Sie die Angebote – und zwar schnell! „Ich musste bestimmt 30 bis 40 Angebote gegeneinander abwägen“, sagt Kirsch. „Und das in extrem kurzer Zeit.“
Schnell Dinge geregelt bekommen – so könnte das Anforderungsprofil für einen dual Studierenden lauten. Denn diese Art der Ausbildung hat es in sich: Wer dual studiert, macht ein Hochschulstudium mit integrierten Praxisphasen in einem Unternehmen. Auf eine Theoriephase folgt jeweils ein mehrmonatiger Block im Betrieb. „Dass das härter ist als ein normales Studium, sieht man schon daran, dass der Stoff gleich ist, die Regelstudienzeit aber auch“, sagt Kirsch. Und das, obwohl duale Studierende zwischendurch monatelang in Vollzeit arbeiten.
Das duale Studium ist so beliebt wie noch nie
Studieren ohne Semesterferien, dafür mit ordentlichem Gehalt und einem halben Jobangebot in der Tasche: Für viele junge Menschen klingt das nach einem fairen Deal. Rund 138.000 Studierende sind aktuell deutschlandweit in einem dualen Studium eingeschrieben, so viele wie nie zuvor. Das belegt eine Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). „Schon seit Langem übersteigt die Nachfrage nach dualen Studienplätzen das Angebot“, sagt Sigrun Nickel, Leiterin der Hochschulforschung beim CHE. „Das zeigt das große Interesse junger Menschen an der Verbindung von Theorie und Praxis.“
Vor allem im Saarland ist die Ausbildungsform beliebt. Hier studieren fast 27 Prozent aller Studierenden dual – ein bundesweiter Spitzenwert! Und: ein echtes Pfund für die Saar-Wirtschaft. Denn in den dualen Studiengängen reifen Praktiker heran, die gelerntes Wissen direkt im Betrieb anwenden können.
22,6 Jahre ist das Durchschnittsalter dual Studierender
(Quelle: CHE)
Auch Christian Kirsch (21) hat bei Bosch bereits ganz praktische Probleme gelöst. „Ich habe mich vor allem um Prozessoptimierungen gekümmert“, berichtet er von seinen bisherigen Stationen. „Meist ging es um Themen aus der Fertigung, zum Beispiel eine serienbegleitende Prüfung oder die Analyse von Montage-Daten.
“Was fasziniert ihn an der Arbeit? „Es spornt mich an, wenn ich ein Problem sehe und weiß, ich kann dabei mithelfen, es zu lösen“, sagt der angehende Wirtschaftsinformatiker. Auch den Bosch-Standort Homburg findet der gebürtige Saarländer interessant: Außer effizienten Diesel-Einspritzinjektoren werden hier inzwischen auch Komponenten für den Wasserstoff-Antrieb entwickelt. „Wir sind Kompetenzzentrum für Wasserstoff bei Bosch“, erklärt Kirsch. „Das ist spannend, weil sich in diesem Bereich gerade sehr viel tut.“
Die Theoriephasen absolviert der Student an der Akademie der Saarwirtschaft (ASW) in Neunkirchen. Hier studiert auch Nico-Leon Blinn, allerdings mit einem anderen Ziel: „Mich hat der Beruf des Wirtschaftsingenieurs schon immer interessiert“, sagt er. „Der Job verbindet betriebswirtschaftliches Denken mit der Tätigkeit als Ingenieur. Man kann damit in vielen Bereichen arbeiten.“ Blinn steht bereits kurz vor der Abschlussprüfung. Mit seinen 22 Jahren hat er schon fünf von sechs Semestern bis zum Bachelor-Abschluss studiert. Das jugendliche Alter ist typisch für dual Studierende: Ihr Altersschnitt von 22,6 Jahren liegt 2,5 Jahre unter dem aller Studierenden, so die CHE-Auswertung.
Seine zwölfwöchigen Praxisblocks hat Blinn alle beim Abgastechnologie-Spezialisten Purem in Neunkirchen absolviert. „Zuerst im Labor, dann in einer globalen Abteilung für Verbesserungsprozesse und im Controlling“, sagt er. Aktuell arbeitet der angehende Wirtschaftsingenieur im Einkauf.
Im dualen Studium muss das Private oft zurückstehen
Zu jeder betrieblichen Station verlangt die ASW eine Praxisarbeit von ihren Studierenden. Nebenbei stehen auch Klausuren an. Wie schafft man die Doppelbelastung? „Zurzeit muss das Private oft zurückstehen“, sagt der gebürtige Pfälzer. „Das ist aber zu bewältigen. Ich bin ja noch jung und der Job macht mir Spaß.“
Bei Purem ist Blinn nicht der einzige duale Student. „Aktuell haben wir elf“, sagt Ausbildungsleiter Thomas Becker. Er schätzt, dass ein dual Studierender das Unternehmen bis zum Abschluss rund 75.000 Euro an Gehalt und Ausbildungsgebühren kostet. „Zum Großteil bekommen wir das von ihnen durch Leistung zurück“, erklärt Becker. Zudem sei so ein Studium die beste Fachkräftewerbung: „Es ist die Ausnahme, dass ein Student nach seinem Studium das Unternehmen wechselt.“
Auch Blinn und Kirsch denken nicht ans Wechseln. „Ich weiß nicht, was mich wegtreiben sollte“, sagt Blinn. Und Kirsch hat sich Bosch gezielt ausgesucht: „Ich wollte im Saarland bleiben – und einen Job mit Zukunft.“
Das duale Studium
- Theorie und Praxis verbinden: Das ist der Kerngedanke bei einem dualen Studium. In den Studiengängen wechseln sich Theoriephasen an der Hochschule mit Praxisblocks in einem Unternehmen ab.
Angeboten werden duale Studiengänge meist von dualen Hochschulen oder Berufsakademien, seltener von Unis.
Obwohl es in Deutschland aktuell so viele dual Studierende gibt wie noch nie (es sind rund 138.000), beträgt ihr Anteil an allen Studierenden gerade mal 4,7 Prozent.
Die beliebtesten Fächer für dual Studierende waren 2022 Wirtschafts- und Rechtswissenschaften (34 Prozent), Ingenieurwissenschaften (21 Prozent), die Sozialwissenschaften und Mathematik/Naturwissenschaften.
Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band.
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