München/Illertissen/Weilheim. In dem einen Werk fehlen Mikrochips, woanders mangelt es an Stahl. Bei der Firma Weiss Kunststoffverarbeitung im schwäbischen Illertissen sorgt man sich aktuell vor allem um die Verfügbarkeit von Kunststoff-Granulat. Das wichtige Material ist rar – und sein Preis mittlerweile auf ein Vielfaches gestiegen.
„So schlimm war es noch nie“, berichtet Jürgen Weiss, Geschäftsführer des Zulieferers mit knapp 300 Mitarbeitern. Die Firma steckt wie so viele andere Unternehmen der deutschen Industrie derzeit in einer absoluten Ausnahmesituation.
Was an Material da ist, wird schnell verbaut
Die höheren Einkaufskosten lassen sich bei Weiss derzeit zwar noch relativ gut an die Kunden weitergeben, berichtet der Chef. Mitarbeiter kalkulieren dafür jedoch quasi wöchentlich die Verkaufspreise neu. Auch in der Produktion gibt es derzeit zusätzliche Arbeit. Denn die Maschinen werden viel häufiger umgerüstet, um so zügig wie möglich alles an Material zu verbauen, was gerade da ist. „Diesen ganzen Aufwand zahlt uns niemand“, klagt Weiss.
Fast zwei Drittel aller Industriefirmen in Deutschland berichten derzeit über Engpässe und Probleme bei Vorlieferungen, die ihre Produktion behindern. Das ergab zuletzt die vierteljährliche Konjunkturumfrage des Münchner Ifo-Instituts. Von April bis Juli stieg der entsprechende Wert von 45 auf 63,8 Prozent. Es ist ein Rekordniveau.
„Das könnte zu einer Gefahr für den Aufschwung werden“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. „Problematisch sind auch die teilweise stark gestiegenen Einkaufspreise.“ Wichtige Branchen der Metall- und Elektro-Industrie wie etwa der Fahrzeug- oder auch der Maschinenbau sind überdurchschnittlich betroffen.
Auch in der Metallverarbeitung sind Vorprodukte derzeit teuer und schwierig zu bekommen. „Unsere Lieferanten kratzen derzeit aus verschiedenen Quellen alles zusammen, was sie haben, und wir nehmen alles, was wir kriegen können“, sagt Dietmar Ahl. Er ist Geschäftsführer der Günter Bechtold GmbH, eines kleinen metallverarbeitenden Unternehmens (rund 100 Mitarbeiter) aus Weilheim südlich von München.
Die Nachfrage nach Metall sei in den vergangenen Monaten sprunghaft angestiegen, berichtet Ahl. Sonderstähle gebe es kaum noch, weil die Hersteller sich derzeit vor allem um gängige Produkte kümmern würden. Auch bei Bechtold ist große Flexibilität angesagt. Mitarbeiter wüssten morgens manchmal nicht, was sie mittags produzieren. „Mittelfristig kann man derzeit eigentlich nichts mehr planen“, sagt Ahl.
Wer zuverlässig liefern kann, hebt sich von anderen ab
Aber das schwierige Umfeld bietet auch Chancen: Wer dank Flexibilität und Improvisationskunst derzeit liefern könne, gewinne neue Kunden. Das sei gerade für deutsche Firmen eine Chance, sich gegenüber der günstigeren Konkurrenz aus dem Ausland abzuheben. „Es macht mich als Geschäftspartner – wenn auch vielleicht nur als Zweit- oder Drittlieferant – wieder deutlich attraktiver als bislang.
Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.
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