Nürtingen. Auf diesen Moment warten die Mitarbeiter der Maschinenfabrik Heller immer schon gespannt: wenn das Jahres-Booklet wieder verteilt wird, prall gefüllt mit Veranstaltungen wie Rückenfit und Yoga, Kochkurs, Massage und Krebsvorsorge – da gibt’s sogar spirituelles Trommeln und ein dreitägiges Kneipp-Erlebnis-Seminar in Bad Wörishofen. Auf 50 Seiten haben die Mitarbeiter dieses Jahr die Qual der Wahl.
„Viele der Angebote sind ganz schnell ausgebucht, wie zum Beispiel die Massage-Termine“, erzählt Constanze Schicht – sie leitet mit ihrer Kollegin Birgit Fischer das betriebliche Gesundheitsmanagement.
Arbeitgeber geben rund eine Milliarde Euro im Jahr für Gesundheitsförderung aus
Wie in diesem Unternehmen mit etwa 1.700 Mitarbeitern am Stammsitz in Nürtingen locken in der ganzen Bundesrepublik Arbeitgeber ihre Leute zu Massagen, Sportangeboten und Beratung, Entspannungskursen und Vorträgen. Rund 1 Milliarde Euro haben die privaten und öffentlichen Arbeitgeber bundesweit im Jahr 2017 für Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ausgegeben. Ihre Aufwendungen sind damit seit dem Jahr 2000 um 52 Prozent gestiegen. Das geht aus der Gesundheitsausgabenrechnung des Statistischen Bundesamts hervor.
Laut einer Umfrage der Betriebskrankenkasse Pronova bekommen inzwischen zwei von drei Arbeitnehmern im Job Angebote zur Gesundheitsförderung. Und vielfach kommt der Auftrag dazu von ganz oben aus der Unternehmensführung – wird also zur Chefsache gemacht. Wie bei Heller: Gerhard Reiner ist hier kaufmännischer Leiter und hat schon im Jahr 2011 begonnen, das Gesundheitsmanagement systematisch auf- und auszubauen.
Viele Angebote bei Heller sind kostenlos oder stark vergünstigt
Reiner erklärt: „Wir wollten den Mitarbeitern einfach etwas anbieten, was ihre Gesundheit fördert, aber auch das Teamgefühl und die Motivation stärkt.“ Dieses Etwas ist immer mehr geworden und wird heute vom Gesundheitsmanagement-Team aufwendig durchdacht, organisiert und geplant. Und außerdem abgestimmt mit dem „Steuerkreis Gesundheit“: In diesem großen Gremium beraten sich regelmäßig alle Beteiligten, vom Betriebsarzt und Betriebsrat über die Sicherheits- und Behindertenbeauftragten bis zum Vertreter der hauseigenen Betriebskrankenkasse Voralb, die das Gesundheitsmanagement umfangreich unterstützt. „Wir informieren hier über bestehende Kurse und geplante Aktionen und diskutieren über Möglichkeiten und Maßnahmen, das Angebot weiter auszubauen“, erläutert Heller-Gesundheitsmanagerin Schicht, die in diesem Beruf einen akademischen Abschluss hat.
So ist zum Beispiel die dreitägige Kneipp-Reise entstanden, die zweimal im Jahr angeboten wird, „gegen einen Obolus“, betont Geschäftsführer Reiner. Denn Mitarbeiter müssen für die Reise zwar Urlaub nehmen, zahlen dafür aber nur einen Bruchteil des tatsächlichen Preises. „Viele Teilnehmer melden sich nach dem ersten Mal immer wieder an“, erzählt Organisatorin Fischer.
Betriebssport hat hier eine lange Tradition
Die Maschinenfabrik Heller wurde vor 125 Jahren in Nürtingen gegründet. „Betriebssport gab es bei uns ja schon seit Jahrzehnten“, sagt Reiner. Die Gruppe beschäftigt heute weltweit rund 2.900 Mitarbeiter. Sie entwickeln und produzieren Bearbeitungszentren und Fertigungssysteme zur spanenden Metall-Bearbeitung, etwa CNC-Fräsmaschinen. Heller hat Kunden in aller Welt, beispielsweise in der Fahrzeug-Industrie und in vielen anderen Branchen.
Fischer und Schicht motivieren die Belegschaft vor allem mit Mundpropaganda und Anreizen: Beim internen Gesundheitstag etwa bekommt jeder eineinhalb Stunden in der Arbeitszeit zur freien Verfügung, um mitmachen zu können. Viele Angebote des Gesundheitsmanagements sind kostenlos, stark vergünstigt oder können während der Arbeitszeit genutzt werden, wie die aktive Pause am Arbeitsplatz.
Es gibt auch Kochkurse und Krebsvorsorge
Und weil nicht jeder nach Feierabend noch im firmeneigenen Sportraum bei Yoga, Rückenfit oder CrossFit schwitzen will, gibt’s auch vieles, was mit Bewegung gar nichts zu tun hat: etwa Kochkurse oder Hautkrebsvorsorge. Reiner: „Damit erreichen wir wieder eine völlig andere Zielgruppe.“ Trotzdem sei es nicht leicht, alle Mitarbeiter einzubeziehen. Der kaufmännische Leiter Reiner schildert: „Wir haben auch etwa 200 Beschäftigte, die ständig unterwegs sind. Und dafür, wie wir auch sie am Gesundheitsprogramm teilhaben lassen könnten, haben wir bisher noch keine wirkliche Lösung gefunden.“
Trotzdem - die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu fördern, gehöre fest zur Unternehmensphilosophie. „Es geht uns natürlich auch darum, ihre Arbeitskraft so lange wie möglich zu erhalten.“ So komme das Programm auch wieder dem Unternehmen zugute. Denn gesunde und motivierte Mitarbeiter seien eine wesentliche, wenn nicht sogar die wichtigste Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit des Unternehmens.
Dass es wirkt, zeigt sich für Reiner zum Beispiel am Krankenstand sehr deutlich. Immer, wenn er dazu die Statistiken der Krankenkassen liest, freut er sich: „Der Krankenstand ist bei uns viel niedriger als im Durchschnitt.“
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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