Nur durch eine Klima-Schleuse lässt sich dieser Arbeitsbereich am ITA betreten, dem Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen. Denn in diesem Labor, in dem die 25-jährige Denise Reininger ihre Ausbildung absolviert hat, herrschen konstante 20 Grad Temperatur und immer 65 Prozent Luftfeuchtigkeit. Das ist wichtig, um eine standardisierte Prüfung der Textilien zu gewährleisten.
„Die Messung dieses Raumklimas ist essenziell – und auch das Erste, was ich in der Ausbildung gelernt habe“, erklärt die junge Frau. Inzwischen arbeitet sie als physikalisch-technische Textillaborantin bei Mitsubishi Chemical in Heinsberg. Für das Treffen mit aktiv ist sie aber an ihre frühere Wirkungsstätte zurückgekehrt, um über die Ausbildung an sich zu sprechen.
Reiningers erster Tag im Labor liegt nun schon drei Jahre zurück. Seitdem ist sie für ihre guten Leistungen mit dem NEXT-Preis der Textil-Industrie NRW ausgezeichnet worden. Und sie darf sich sogar „beste Textillaborantin“ nennen – keine andere junge Fachkraft in NRW schloss 2023 diese Ausbildung so gut ab wie sie.
Im Labor werden große Bauteile geprüft – und winzige Fasern
„Diese Erfolge habe ich nicht nur der Unterstützung meiner Ausbilder zu verdanken, sondern auch der unglaublichen Bandbreite an Aufgaben, die ich in diesem Labor kennengelernt habe“, sagt Reininger. Das ITA-Textillabor der RWTH Aachen ist Teil der zweitgrößten Universität für technische Studiengänge in Deutschland und profitiert dadurch von einem bunten Mix an Prüfungsaufträgen. „Manchmal kommt jemand mit einem T-Shirt, manchmal jemand mit einer Spule voller Garn oder nur mit einer einzelnen Faser oder auch mit einem Faserverbundwerkstoff“, erklärt Monika Steffens. Sie ist Leiterin des Textilprüflabors und des Ausbildungsgangs, in dem Reininger ihre Lehre gemacht hat.
Diese Vielfalt spiegelt sich in den Aufgabenbereichen, aber auch in den Prüfmöglichkeiten wider. Der Fokus liegt dabei auf physikalischen Prüfverfahren, da geht es etwa um die Scheuerbeständigkeit oder die Zugfestigkeit einer Faser. „Wir haben hier am Institut die Möglichkeit, sehr große Proben wie etwa Bauteile unter einer Zugkraft von bis zu 25 Tonnen zu prüfen – gleichzeitig landen bei uns im Labor auch ganz filigrane Fasern, wie sie etwa für die Stent-Technologie bei einer Herz-OP zum Einsatz kommen“, so Steffens.
Neben dem Bauwesen und der Medizintechnik lassen sich viele weitere Bereiche nennen, aus denen Textilien oder textile Produkte ihren Weg ins Labor finden. „Als ich die Ausbildung anfing, dachte ich bei Textilien vor allem an Kleidung oder Handtücher“, erinnert sich Reininger. „Jetzt weiß ich, dass sie uns sehr viel öfter begegnen: von der Bespannung eines Tennisschlägers bis zum Airbag im Auto. Ohne Textilien geht da oft nichts.“
Ihre Abschlussprüfung bestand aus mehreren Testverfahren, um die Einsatzqualität einer Arbeitsjacke der Deutschen Bahn zu bestimmen. Neben der Nahtfestigkeit wurde dabei auch ein hydrostatischer Druckversuch gemacht: Damit prüft man die Wasserdichte eines Stoffes.
Es gibt immer weniger geeignete Bewerber
Während der physikalisch-technische Textillaborant sich also vor allem physikalischer Prinzipien bedient, steht beim chemischen Textillaboranten die Echtheit der Fasern im Vordergrund: Geprüft wird etwa die Reaktion auf UV-Licht, Salzwasser oder Schweiß. Außerdem geht es um die Zusammensetzung von Textilien. Zur Hälfte der Ausbildungszeit muss man sich für eine dieser beiden Fachrichtungen entscheiden.
„Den Schulabgängern fehlt es leider oft am nötigen Rüstzeug für den Berufseinstieg.“
Monika Steffens, Ausbildungsleiterin am ITA
So spannend der Beruf auch klingt: Es gibt zu wenig junge Menschen, die ihn erlernen wollen und können.„Wir beobachten seit Jahren einen stetigen Rückgang der Bewerberzahlen“, sagt Ausbilderin Steffens. „Und auch der Qualität der Bewerber. Bei Textillaboranten ist es wichtig, dass man etwa Dreisatz- oder Prozentrechnen kann. Da sind leider ganz gewaltige Defizite zu erkennen, die es in dieser Breite früher nicht gab.“ Dazu komme noch die Scheu mancher junger Menschen, sich für einen konkreten Berufsweg zu entscheiden.
Dass der Weg zur passenden Berufsausbildung nicht immer geradlinig verläuft, das hat gerade die Top-Fachkraft Reininger selbst erlebt. Nach ihrem Schulabschluss 2015 machte sie zunächst eine Ausbildung zur Verkäuferin und arbeitete dann mehrere Jahre in einer Bäckerei. Dabei hing ihr Herz eigentlich schon immer am Beruf der Laborantin. „Meine Schulnoten waren aber damals leider nicht so super, deswegen habe ich die Idee verworfen“, sagt sie.
Als sie dann doch den Entschluss fasste, sich für ihre zweite Ausbildung zu bewerben, wurde sie von ihren damaligen Kollegen nicht etwa unterstützt, sondern belächelt. Sie ging trotzdem ihren Weg. Und der hat sie inzwischen zu Mitsubishi Chemical geführt: Dort arbeitet die Textillaboratin in der Prüfung von Faserverbundbauteilen aus Carbon, die der Luftfahrtkonzern Airbus im Boden seiner Flugzeuge verbaut.
Der NEXT-Preis
Seit 2011 werden Nachwuchstalente aus gewerblich-technischen Berufen der Textil- und Bekleidungsindustrie für ihre besonderen Leistungen von der Textilakademie NRW ausgezeichnet.
Die Unternehmen der Branche aus NRW nominieren jeweils ihre Top-Azubis. Die Bewerbungsphase für den NEXT-Preis 2024 startet im Juni.
Mehr dazu unter: textilakademie.de
Nadine Keuthen stürzt sich bei aktiv gerne auf Themen aus der Welt der Wissenschaft und Forschung. Die Begeisterung dafür haben ihr Masterstudium Technik- und Innovationskommunikation und ihre Zeit beim Kinderradio geweckt. Zuvor wurde sie an der Hochschule Macromedia als Journalistin ausgebildet und arbeitete im Lokalfunk und in der Sportberichterstattung. Sobald die Sonne scheint, ist Nadine mit dem Camper unterwegs und schnürt die Wanderschuhe.
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