Wetter. Die Tasche ist gepackt, am Nachmittag geht es nach München. Die Reparatur eines Nitrieranlassofens bei einem Hydraulikhersteller steht an. Zwei Tage wird Seyed Mohammad Hosseini dort sein. Der angehende Industriemechaniker freut sich. Mit seinen Kollegen war er schon oft unterwegs, hier in der Region, aber auch in Nürnberg, Stuttgart, Bielefeld. „Man lernt sehr viel. Jede Baustelle ist anders.“
Arbeitseinsätze bei Kunden gehören bei KGO in Wetter zur Ausbildung dazu. Das Unternehmen mit 60 Mitarbeitern liefert Industrieöfen, Gießerei- und Sonderanlagen in die ganze Welt an Härtereien, Maschinen- und Apparatebauer, die Automobil- und Luftfahrt-Industrie. Mehrere Monate arbeiten Ingenieure, Technische Produktdesigner, Elektrotechniker und Industriemechaniker an den Anlagen. „Es ist Teamarbeit. Man muss alles gemeinsam machen“, sagt Hosseini.
Fünf Jahre Schule, Gewalt, keine Dokumente, keine Rechte
Der 23-Jährige hat einen langen Weg hinter sich. Als kleiner Junge mit den Eltern aus Afghanistan in den Iran geflohen, fünf Jahre Schule, Gewalt, keine Dokumente, keine Rechte – wenig Zukunftsperspektive. Als 2015 immer mehr Freunde und Nachbarn loszogen, ging er mit. „Ich wusste nicht, was mich erwartet. Ich wollte einfach frei sein“, sagt er. „Man denkt: Diese Situation ist schlecht. Wenn ich gehe, bekomme ich vielleicht ein besseres Leben.“
Zweieinhalb Monate war der 15-Jährige unterwegs, zu Fuß, im Schlauchboot, mit Schiff und Zug, in der Hand von Schleusern und in Flüchtlingscamps. In Deutschland angekommen, dauerte es noch einmal vier Jahre mit vielen Enttäuschungen in Heimen und Schulen, bis er am Hagener Berufskolleg auf Nedeljko Vucemilovic traf, der dort seine Firma KGO vorstellte.
Im Online-Unterricht zunächst gescheitert
„Die Chemie hat sofort gestimmt. Mein Mann berichtete sehr positiv von dem Gespräch“, erinnert sich Anke Vucemilovic, die sich bei KGO um Personal und Einkauf kümmert.
„Ich wollte unbedingt eine Ausbildung machen, als Industriemechaniker“, sagt Hosseini. Nach einem Kurzpraktikum folgte der Vertrag – und kurz darauf Corona. Noch sehr unsicher im Deutschen scheiterte der zurückhaltende junge Mann im Online-Unterricht: „Es gibt so viele Fachbegriffe, verschiedene Werkzeuge und Materialien. Das war sehr schwierig.“ Theoretische Zwischenprüfung: mangelhaft.
Abbrechen kam aber nicht infrage. Hosseini wechselte in die zweijährige Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik und schloss 2022 mit guten Noten ab. Er arbeitete als Geselle, wurde immer sicherer. Und startete im März erneut als Industriemechaniker-Azubi. „Jetzt klappt es viel besser“, sagt er.
Er kennt sich gut mit den gas- und elektrobeheizten Öfen aus, in denen Metalle gehärtet oder wärmebehandelt werden. „Wir bauen die Anlagen, aber wir warten sie auch und reparieren“, erklärt er. „Es ist sehr abwechslungsreich. Die Arbeit macht Spaß.“ Stolz schwingt da mit.
Traurig ist er, dass er weder für Montagen noch Familienbesuch ins Ausland darf. Ohne Papiere aus Afghanistan sei die Pass-Beantragung kaum möglich, berichtet Hosseini – enttäuscht, aber hoffnungsvoll: „Der Weg ist gut. Ich bau eine Zukunft auf.“
Persönlich
Herr Hosseini, wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Mein Lehrer hat mich auf den Industriemechaniker aufmerksam gemacht. Metalltechnik hat mich sehr interessiert.
Was reizt Sie am meisten?
Mit den Kollegen im Team zu arbeiten. Und zu sehen, wie etwas funktioniert. Es gibt immer wieder etwas Neues zu lernen.
Worauf kommt es an?
Man muss mitdenken und sehr sorgfältig arbeiten und aufpassen, besonders bei gefährlichen Gaszusammensetzungen.
Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, in Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten.
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