Wuppertal. Rohstoffe aus der Erde holen, Produkte fertigen, verbrauchen und am Ende als Müll entsorgen – das ist die „lineare“ Art des Wirtschaftens. Eine Initiative aus Wuppertal möchte das ändern: „Circular Valley“, gegründet Anfang 2021, will im Großraum Rhein-Ruhr sogenannte Stoffkreisläufe etablieren. Das Ziel: Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung entkoppeln, etwa durch die Umstellung der Rohstoffbasis und die Entwicklung kreislauffähiger Produkte.

Ein Gründungsmitglied ist der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer. Zwar lassen sich Arzneimittel, einmal verabreicht, nicht wieder zurückgewinnen. Aber: „Bei der Produktion achten wir auf die Rückführung oder Weiternutzung von Wert- und Hilfsstoffen oder Lösungsmitteln“, erklärt Timo Fleßner, verantwortlich für die globale Produktion pharmazeutischer Wirkstoffe bei Bayer und früherer Standortleiter Wuppertal.

Großes Netzwerk etablieren

In einem Pilotprojekt arbeitet Bayer zudem an „zirkulären Modellen bei Arbeitskleidung“. Fleßner: „Die textilen Rohstoffe und Garne aussortierter Arbeitskleidung sollen wieder genutzt werden.“

Der Initiative gehören inzwischen BASF, Evonik und fast 70 Unternehmen sowie 30 Partner aus Wissenschaft und Gesellschaft an. Ein Förderprogramm zieht als Ideenschmiede und technologischer Treiber Start-ups aus der ganzen Welt an. Im „Circular Valley Accelerator“ entwickeln sie mit Mentoren und Forschungseinrichtungen Geschäftsideen und knüpfen Kontakte. Die Jungunternehmen produzieren etwa Fliesen aus Bauschutt oder Baumaterial aus alten Schuhsohlen, gewinnen Rohöl aus Kunststoffabfällen sowie Silber und Silizium aus ausgedienten Solarmodulen. Sie vereinfachen die Mülltrennung durch lernende Bilderkennung oder ermöglichen die Wiederverwertung von Baustoffen durch digitale Dokumentation. Das zeigt: Kreislaufwirtschaft ist mehr als Verpackungsverzicht und Mehrweg-Artikel.

Mehr Offenheit für Recycling

„Fast jeder Kunststoff lässt sich chemisch, mechanisch oder thermisch recyceln“, erklärt Ingemar Bühler, Chef von Plastics-Europe, dem Verband der Kunststofferzeuger. Dazu müssten die Produkte entsprechend designt sein und, wie im Circular Valley, „viele Teile der Wertschöpfungskette“ zusammenkommen. Von der Politik fordert er effizientere Genehmigungsverfahren und mehr Offenheit für neue Recycling- und CO2-Abscheidungs- und Nutzungstechnologien: „Das sind große industrielle Investments“.

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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