Stuttgart. Der Ausbildungsmarkt im Südwesten schwächelt: Die Zahl der Bewerber für duale Ausbildungen ist dieses Jahr um 12,5 Prozent gesunken. Auch große wie kleine Metall- und Elektro-Unternehmen haben deutlich weniger Bewerbungen erhalten als letztes Jahr. 2021 wurden in der verbandsgebundenen M+E-Industrie 1,9 Prozent weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen, knapp 10 Prozent der Lehrstellen konnten nicht besetzt werden – so das Ergebnis einer aktuellen Erhebung des Arbeitnehmerverbands Südwestmetall.

Das liegt zum einen an sinkenden Schülerzahlen in Baden-Württemberg: 2021 verließen (laut Vorausberechnung des Statistischen Landesamts) 148.600 junge Leute die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen – knapp 2.000 weniger als 2020. Schwerer noch wiegen aber die Auswirkungen des Lockdowns: Unternehmen und Interessenten konnten kaum zueinanderfinden. Azubis und Ausbilder konnten keine Schulen besuchen, um über Berufe zu informieren, Schüler konnten nicht in die Betriebe gehen, keine Praktika machen.

Der Fachkräftebedarf bleibt auch künftig hoch

Den Schülern entgehen dadurch Infos über gute Jobs, der Branche womöglich die Fachkräfte von morgen. Dabei ist der Bedarf nach wie vor hoch und wird es auch bleiben. Das Institut der deutschen Wirtschaft errechnete im Oktober: Bis 2033 werden bundesweit jährlich im Durchschnitt 280.000 MINT-Facharbeiter gebraucht, nur um die zu ersetzen, die in Rente gehen. (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik.) Deshalb bemühen sich die Firmen trotz Einschränkungen um den Nachwuchs – manche über das Netzwerk SchuleWirtschaft, das Kooperationen zwischen Unternehmen und Schulen unterstützt. aktiv hat bei drei Unternehmen nachgefragt, wie sie um künftige Fachkräfte werben.

Feinoptikerin bei Karl Storz: So habe ich meinen Beruf gefunden

Im Netzwerk SchuleWirtschaft präsentierte sich Medizintechnikhersteller Karl Storz: Am 12. Oktober erzählte Maja Pfeiffer, Auszubildende zur Feinoptikerin im zweiten Lehrjahr, im Online-Format „Der Kick für meine Berufswahl“, wie sie zu dieser Ausbildung gekommen ist: „Nach der Realschule wollte ich etwas Praktisches machen, war mir aber unsicher, welcher Beruf zu mir passt.“ Verschiedene Praktika halfen ihr, herauszufinden, in welche Richtung es gehen sollte. Ein Schnuppertag bei Karl Storz in Tuttlingen brachte dann die Entscheidung für die Feinoptik. Das Spannende daran: Man braucht Fingerspitzengefühl, Geduld und handwerkliches Geschick. Jetzt lernt sie den Umgang mit optischem Glas und mit speziellen, extrem genauen Messmitteln – und vieles mehr.

Endoskopiespezialist Karl Storz engagiert sich schon länger im branchenübergreifenden Netzwerk SchuleWirtschaft. Dazu Rainer Ulmschneider, Leiter gewerbliche Ausbildung: „Wir schätzen den Austausch und die gute Zusammenarbeit mit verschiedenen Schularten.“

Arburg fördert das Interesse an Technik schon im Kindergarten

Wie baut man einen Stromkreislauf, um die Leitfähigkeit von Gegenständen zu testen? Das lernten am 8. November bei Arburg in Loßburg nicht etwa Azubis, sondern Erzieherinnen aus Kindergärten der Region in einem speziellen Workshop. Warum denn Erzieherinnen? „Nur wenn Erzieherinnen an technische Themen herangeführt werden und selbst begeistert sind, können sie ihre Kindergartenkinder dafür begeistern“, erklärt Pierre Huissel, Ausbilder im Bereich Elektronik und Mechatronik des Maschinenherstellers. Und wenn das Interesse an Technik schon so früh geweckt wird, könne das später bei der Berufswahl eine Rolle spielen.

Deshalb ist es so wichtig, technische Themen kindgerecht aufzubereiten. Gerlinde Kläger, Erzieherin von der Kita St. Marien in Baiersbronn, schwärmt: „Es ist super, hier so viel Input für die Kinder zu bekommen, und es hat mir als Neueinsteigerin auch ein bisschen die Angst vor technischen Themen genommen.“ Das Workshop-Programm wurde von der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ gestaltet und von der Initiative „Südwestmetall macht Bildung“ unterstützt.

Varta investiert Millionen in ein neues Ausbildungszentrum

So viel ist der Fachkräftenachwuchs wert: Mehr als 2,5 Millionen Euro hat der Batteriehersteller Varta in sein neues, über 1.000 Quadratmeter großes Ausbildungszentrum am Firmenhauptsitz in Ellwangen investiert. Hier lernen derzeit rund 100 zukünftige Batterieexperten – mit State-of-the-Art-Anwendungen und -Geräten. Alle haben ein Tablet für den Unterricht und können künftig auch eine digitale Lernplattform nutzen.

Und hierher kamen am 1. Oktober etwa 100 Schüler und Interessierte zum „Tag der Ausbildung“. Im persönlichen Gespräch mit Mitarbeitern und Ausbildern konnten sie sich über die Berufe Maschinenfahrer, Elektroniker, Industriemechaniker, Werkzeugmechaniker oder Industriekauffrau/-mann informieren. An verschiedenen Mitmachstationen konnte auch ganz praktisch angepackt und ausprobiert werden. Zum Beispiel hatten die Varta-Elektroniker eine Transportvorrichtung programmiert. Damit konnten die Besucher verschiedene Materialien bestellen und liefern lassen. An einer anderen Station konnten sie sich ihren Namen in einen Flaschenöffner gravieren lassen.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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