Mit dem Laptop unter dem Arm geht Serkan Özdemir in die Fertigung. Hier ist er nur noch selten, 80 Prozent seiner Arbeitszeit im Sindelfinger Mercedes-Werk verbringt er im Büro und wertet Produktdaten aus. In der Fertigung schaut er sich an, was dort läuft, spricht mit den Kollegen – um zu überprüfen, ob die Daten auf seinem Laptop korrekt erhoben wurden und den tatsächlichen Zuständen entsprechen. Das kann er, denn mit Produktionsprozessen kennt er sich aus. Nach seiner Ausbildung zum Fertigungsmechaniker war der heute 36-Jährige zunächst Maschinen- und Anlagenführer, später Betriebstechniker in der Zylinderkopffertigung in Mettingen.
Das Wichtigste ist ein Interesse an Daten
Und dann kam ein firmeninterner Aufruf, der ihm eine Tür zum Aufstieg öffnete: Die Produktionsmitarbeiter wurden zur „digitalen Challenge“ eingeladen. Er nahm die Challenge an. „Das war die beste berufliche Entscheidung meines Lebens“, sagt er heute.
„Es war die beste berufliche Entscheidung meines Lebens“
Serkan Özdemir, Mercedes
Mitmachen konnte jeder. Wer einen Sinn für Logik und ein Interesse an Daten beweisen konnte, bekam die Chance, sich im Programm D-Shift zum Datenspezialisten umschulen zu lassen. Das Programm ist ein Teil der unternehmensweiten Qualifizierungsinitiative Turn2Learn. So will Mercedes speziell Fertigungsmitarbeiter fit für neue Stellen machen, für eine Zukunft, in der Daten eine wesentliche Rolle spielen.
Mitarbeit in Projekten bringt praktische Erfahrung
Die Fortbildung ging berufsbegleitend über rund zehn Monate, per Online-Kurs und Praxiseinsätzen. „Zuerst haben wir eine Programmiersprache gelernt“, erzählt Özdemir. Danach ging es darum, wie man programmgesteuert große Datenmengen analysieren und auch visuell darstellen kann. Außerdem um Methoden, mit denen man Entscheidungen aus den Ergebnissen ableiten kann.
In verschiedenen Abteilungen, die schon intensiv mit Daten arbeiten, konnten die Kursteilnehmer den Kollegen über die Schulter schauen und sehen, wie sie dabei vorgehen. Das Gelernte konnten sie auch gleich selbst anwenden – bei der Mitarbeit an konkreten Projekten in der Produktion oder der Qualitätssicherung. „Das hat sehr viel Spaß gemacht“, berichtet Özdemir. „Sehr schön war auch, dass wir nach dem Kurs nicht einfach irgendwo platziert wurden, sondern genau mit uns besprochen wurde, was uns am meisten liegt, worin wir am besten sind.“
Zwei freie Tage pro Woche fürs Lernen
Schon in seinem früheren Job in der Fertigung hatte Özdemir Maschinendaten für die Prozessoptimierung ausgewertet. „Dafür haben wir klassische Tools wie Excel benutzt“, erzählt er. „Als die Daten immer mehr wurden, habe ich mich gefragt, wie man solche Mengen bewältigen kann. Mir war klar: Da braucht man zusätzliche Skills.“ Die Umschulung kam für ihn also wie gerufen!
Einfach sei sie allerdings nicht gewesen, sagt er: „Wir mussten uns durchbeißen. Aber wir wurden super unterstützt und zwei Arbeitstage pro Woche für den Kurs freigestellt.“ Dazu kamen noch ein Zeitaufwand von rund sechs bis zehn Stunden nach Feierabend oder am Wochenende. Seit Juni dieses Jahres arbeitet er nun als Datenspezialist – in vielerlei Hinsicht eine Verbesserung: Er hat Gleitzeit und kann auch im Homeoffice arbeiten. „Das ist toll, denn jetzt kann ich auch mal mein Kind in den Kindergarten bringen“, freut sich der Familienvater. Das war früher nicht möglich: Jahrelang arbeitete er im Dreischichtbetrieb, in Mettingen dann immer in der Frühschicht.
Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.
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