1,2 Tonnen Schokolade im Kampf der Konditoren
Sie kleben 22.000 Fliesen, mauern das Brandenburger Tor in Miniatur, warten einen Hubschrauber, verbacken 1,2 Tonnen Schokolade, kochen Hühnerleber-Parfait und „Mystery Fish“.
Alle sind jung, das Höchstalter bei den WorldSkills beträgt 22 Jahre. Und alle sind gut. Sehr gut sogar: Wer hier antritt, hat sich bereits in regionalen und nationalen Wettbewerben durchgesetzt.
Sich motivieren, die Leistung abrufen
Logisch: „Was wir hier an Leistung sehen, geht weit über das Niveau der normalen Ausbildung hinaus“, sagt Michael Linn, der sogenannte Chief Expert in der Disziplin Mechatronik. Und schwärmt, während sich hinter ihm zwei asiatische Teilnehmer lautstark über den richtigen Aufbau ihrer Miniatur-Produktionsanlage zoffen, in höchsten Tönen: „Alle profitieren hier, die Jugendlichen genauso wie ihre Unternehmen.“ Die Teilnehmer müssten „sich unter Stress beweisen“. Und „dem Wettbewerbsdruck standhalten“!
Darauf nämlich, so führt Wettkampfleiter Linn aus, kommt es hier an: „Cool bleiben – auch wenn’s gerade mal nicht so läuft.“ Sich selbst motivieren, seine Leistung abrufen, darum geht es. Egal ob man als Landschaftsgärtner Hochbeete anlegt oder als Produktionstechniker solarbetriebene Sortierstationen für Getränkeverpackungen baut.
„Andererseits kommen die Experten der Unternehmen mit ihren Kollegen aus aller Welt zusammen, können herausfinden, wo sie mit der Qualität ihrer Ausbildung stehen“, sagt Linn noch.
Wobei gerade da durchaus Unterschiede zu beobachten sind: besonders im Vergleich von Asien und Europa. Das jedenfalls findet Hermann Studnitzka, der Coach des österreichischen Mechatroniker-Teams. „Wir Europäer vermitteln unseren jungen Leuten das Rüstzeug, selbstständig Lösungen zu entwickeln – aber die Asiaten lassen sie vor allem auswendig lernen.“
Wenn Chinesen oder Koreaner dann im Arbeitsalltag auf unvorhergesehene Probleme stoßen, glaubt Studnitzka, „dann kommen sie ins Schleudern“.
Vier Tage Vollgas nur für die Ehre
Nun ja. Bei der Berufe-Weltmeisterschaft schneiden die Teams aus Fernost seit Jahren mehr als beachtlich ab. Da klingt es ein bisschen wie Pfeifen im Walde, ihnen systembedingte Schwierigkeiten anzudichten.
In denen aber steckt definitiv, jetzt am Ende des ersten Wettkampftags, der Bauschreiner Christian Kemmerer.
Denn soeben hat der Schiri in Halle 4 die Holzfensterbauerei für heute beendet. Und der Held der Arbeit versucht sich an einem Zwischenfazit: „Ganz zufrieden“, sei er mit dem Tag – okay, eine halbe Stunde hinke er immer noch hinter dem Zeitplan her, aber das sei morgen alles aufzuholen.
Sein Trainer Richard Schauer ist da skeptischer. „Du arbeitest gut“, sagt er, „du arbeitest genau.“ Aber: „Das kostet dich zu viel Zeit, du musst morgen mehr auf Tempo gehen.“
Es ist wie der Dialog zwischen einem Boxer und seinem Trainer. Kemmerer tropft der Schweiß vom Ziegenbart, erschöpft lehnt er sich an die Bande: „Sauanstregend!“
Warum tut man sich das an: vier Tage Vollgas, für nichts als die Ehre? „Weil das hier einzigartig ist, einfach alles, das Flair, neben mir kämpft ein Neuseeländer, in meinem Rücken ein Franzose, das ist doch der Hammer.“
Ja, klar, die Asiaten würden in der Heimat gepusht, man munkelt was von Autos für gewonnene Goldmedaillen, von Wohnungen, von Arbeitsverträgen auf Lebenszeit.
Aber was soll’s: Monatelang hat sich Kemmerer auf Leipzig vorbereitet, Prüfungsstücke geübt, Verbindungen zwischen verschiedenen Materialien trainiert. „Oft bin ich erst um Mitternacht aus der Werkstatt gegangen. Das machst du doch nur, wenn da Leidenschaft hintersteckt und nicht bloß ein Job zum Geldverdienen.“