Stuttgart. Forscher wie Karsten Schweikert wünschen sich die Verbraucher. Er ging der Frage nach, ob sinkende Ölpreise den Sprit an der Tankstelle genauso schnell billiger machen, wie er umgekehrt teurer wird, wenn der Ölpreis steigt.

Das ist das Thema der Doktorarbeit des 31-jährigen Wirtschaftswissenschaftlers von der Universität Hohenheim. Schweikert hat untersucht, wie sich Schwankungen bei Rohölpreisen auf die Produkte auswirken, für die das Öl den Rohstoff liefert.

Die beruhigende Nachricht lautet: „Der Wettbewerb unter den rund 15.000 Tankstellen in Deutschland funktioniert weitestgehend.“ Damit wäre der Verdacht in das Reich der modernen Legenden verwiesen, dass es der Preisanstieg beim Rohöl immer schneller an die Tankstelle schafft.

Insgesamt wurden neun Förderpreise vergeben

Für seine Forschung hat Schweikert vom Arbeitgeberverband Südwestmetall den diesjährigen Förderpreis erhalten. Mit ihm wurden acht weitere Nachwuchswissenschaftler von baden-württembergischen Universitäten für ihre herausragenden Arbeiten ausgezeichnet.

Ihre Studien haben besondere Bedeutung für die Arbeitswelt der Industrie. Der Preis wird bereits seit 27 Jahren an Forscher mit starkem Praxisbezug vergeben. Beispielhaft zeigt sich an ihnen die Verzahnung von Hochschule und Unternehmen.

Denn Schweikerts Studien bringen nicht nur mehr Licht in die Entwicklung der Spritpreise, seine Modelle lassen sich auch auf andere Rohstoffe übertragen. Somit könnten sie für viele Unternehmen interessant sein, die rohe oder bereits verarbeitete Produkte einkaufen. Auch für die Politik ist seine Arbeit relevant. Denn wenn Preissteigerungen und -senkungen unterschiedlich schnell weitergereicht werden, kann dies ein Indiz für mangelnden Wettbewerb sein.

"Das Anwendungsfeld ist sehr breit"

Entsprechend groß ist das Interesse: „Das Anwendungsfeld ist tatsächlich sehr breit“, sagt Schweikert, „es gab nach der Veröffentlichung schon zahlreiche Anfragen, auch aus den USA.“

Inzwischen ist Schweikert hauptberuflich Datenmanager an der Core Facility, einer Art Stabsstelle der Universität Hohenheim. Das Datenlabor steht vor einer großen Zukunft. Neben Banken und Versicherungen sind auch kleinere Unternehmen zunehmend daran interessiert, ihre Datenströme besser zu verstehen.

„Wir stehen, was das Thema Big Data anbelangt, erst am Anfang“, sagt Schweikert. Anfragen aus der Industrie sind in Hohenheim willkommen.

Eine Preisträgerin trug zur Verbesserung von Verbrennungsmotoren bei

Zu den diesjährigen Preisträgern gehört auch die Diplom-Mathematikerin Marlene Wentsch. Sie hat mit ihrer Doktorarbeit am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen der Universität Stuttgart zukunftsweisende Wege bei der Kraftstoffeinspritzung aufgezeigt. Wie Schweikert will auch Wentsch (33) mit Legenden aufräumen und stellt klar: „Der Verbrennungsmotor wird auch 2050 noch einen signifikanten Anteil einnehmen – wenn auch in elektrifizierter Form innerhalb verschiedener Hybridkonzepte. Verbrennungsmotoren gilt es allerdings nach wie vor, hinsichtlich ihrer Schadstoff- und CO2-Bildung zu optimieren.“

Dazu, also zur Verbesserung von Verbrennungsmotoren, trägt ihre Arbeit bei. Die Wissenschaftlerin hat sich dabei mit der Beschleunigung von Simulationen beschäftigt, die bei der Motorenentwicklung eine große Bedeutung haben. Denn die üblichen Programme führen zu teilweise wochenlangen Rechenzeiten von Computern. „In meiner Arbeit habe ich mich damit beschäftigt, in einem schnell rechnenden 3-D-CFD-Programm (dreidimensionale Computational Fluid Dynamics) für Strömungssimulationen von Verbrennungsmotoren die Modellierung der Kraftstoffeinspritzung kritisch auf unterschiedliche Anwendungsfälle zu analysieren, zu optimieren und besonders hinsichtlich der Kraftstoffmodellierung zu erweitern“, so Wentsch.

Sie legt Wert auf die wissenschaftlich korrekte Bezeichnung. Vereinfacht gesagt: Das gesamte Innenleben eines Motors wird in ein virtuelles Gitternetz zerlegt, um so jeden einzelnen Punkt eines Motors auf sein Verhalten abzuklopfen.

Kapazitäten vom Schlage einer Marlene Wentsch kommen der Automobil- Industrie wie gerufen. Inzwischen arbeitet die junge Frau als Projektmanagerin eines großen deutschen Automobilzulieferers in England.

Beteiligung der Industrie an Forschung ist "eminent wichtig"

Dabei war bei Wentsch der Weg vom Studium bis zu Promotion und Berufswahl alles andere als klar vorgezeichnet. Vom eher theoretischen Mathematik-Studium zur Arbeit am Motor der Zukunft lagen einige biografische Wendungen.

Raus aus dem Elfenbeinturm, rein in die Welt der Technik: „Erst bei einem Praktikum bei Audi im Projektmanagement für eine neue Baureihe habe ich gemerkt, dass mich die technischen Themen begeistern.“ Wentsch sieht sich mit ihrem mathematischen Hintergrund als „echte Exotin“ und – mit einem Augenzwinkern – ihren Weg zum Doktortitel als „ein nachgeholtes, verpasstes Ingenieurstudium“. Ihren Einstieg am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen bewertet sie als „absoluten Glücksfall“.

Wentsch: „Hier findet Grundlagenforschung nicht hinter verschlossenen Türen statt, sondern die Industriebeteiligung ist eminent wichtig.“

Es gibt allerdings hohe Hürden für kleine Unternehmen

Viele Forschungsprojekte kommen beispielsweise von der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen, einer Vereinigung von Unternehmen, die relevante Fragen der Industrie festlegt und an Universitäts-Institute zur Bearbeitung vergibt.

Besonders für kleinere und mittelständische Unternehmen sieht die Forscherin allerdings hohe Hürden. „Oft sind die Themen wettbewerbsrelevant. Da stellt sich das Unternehmen schon die berechtigte Frage: Mit wem möchte ich mein Wissen teilen?“

Nachholbedarf sieht auch Südwestmetall-Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick: „Die Hochschulen müssen insbesondere beim Mittelstand ihr Transferpotenzial noch aktiver und verständlicher vermarkten.“ Gerade für Mittelständler sei es schwer, konkrete Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit zu finden.

Auch die Begleitung von Forschungsarbeiten können kleinere Unternehmen kaum stemmen. Wentsch: „Ein Doktorand bearbeitet immer ein umfangreiches, auch für die Praxis relevantes Forschungsthema, das eben seine Zeit braucht.“

Junge Spitzen-Forscher wie sie und Schweikert will Südwestmetall deshalb auch in Zukunft fördern. Die neue Generation in den Laboren und Entwicklungsabteilungen steigert schließlich die Attraktivität des Südwestens als Industriestandort.