Nämlich?
Die Erwartungen der Unternehmen liegen nach dem Ifo-Geschäftsklimaindex M+E Bayern und anderen Quellen nur noch knapp im positiven Bereich. Die Betriebsräte-Befragung der IG Metall Bayern untermauert dieses Bild: Sowohl die Beurteilung der Auftragslage als auch die Erwartungen sinken seit 2013 – und zuletzt lag der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen der Perspektiven sogar im Minusbereich.
Die Bundesregierung erwartet für 2016 doch ein ordentliches Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent.
Die gesamtwirtschaftliche Lage ist von einer Scheinkonjunktur geprägt, die von drei Sonderfaktoren gestützt wird: niedriger Ölpreis, niedrige Zinsen, schwacher Euro. Diese Faktoren sind nicht nachhaltig. Daher verlieren Wachstumsprognosen für den Tarifabschluss an Bedeutung. Zudem wird das Wachstum vom Konsum getragen – und der nutzt unserer M+E-Industrie nichts. Sie produziert ja zu 80 Prozent Investitionsgüter, und sie macht 60 Prozent ihrer Umsätze im Ausland.
Genau deshalb lief es jahrelang besonders gut: Deutschland liefert die Investitionsgüter, mit denen die halbe Welt ihre Industrie aufbaut.
Stimmt, aber inzwischen sehen wir eine globale Investitionsschwäche – in den etablierten wie in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Und wir spüren sehr schmerzhaft die Krise in für uns wichtigen, zuvor boomenden Schwellenländern: Die bayerischen M+E-Exporte nach China lagen 2015 um knapp 14 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor! Die Lieferungen nach Brasilien lagen um 16 Prozent im Minus, das Geschäft mit Russland sogar um 38 Prozent.
Dagegen stand ein Plus in den USA.
Ja, wobei ein Großteil davon wechselkursbedingt war. Zudem sind die Konjunktursignale aus den USA nicht gut – so ist die Nachfrage aus ihrer Erdöl-Industrie stark zurückgegangen. Wenn ich mir anschaue, wie unsere Betriebe in letzter Zeit trotzdem Personal aufgebaut haben, kann ich nur hoffen, dass die Produktivität dieses Jahr nicht noch weiter sinkt.
Es gibt also wenig zu verteilen?
Wir haben uns vor Jahren mit der Gewerkschaft darauf geeinigt, dass wir uns in Tarifrunden nicht an der Produktivität der Branche orientieren, sondern an der der Gesamtwirtschaft. Weil die weniger schwankt und viele andere Branchen an M+E hängen. Aber auch die gesamtwirtschaftliche Produktivität steigt 2016 den Prognosen zufolge um weniger als 1 Prozent. Und es gibt praktisch keine Inflation. Wir sagen deshalb zu unserem Tarifpartner: Jetzt ist Vernunft das oberste Gebot! Wenn wir das Rekordniveau an Beschäftigung bewahren wollen, das die Betriebe als Investition in die Zukunft aufgebaut haben, müssen wir ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. Statt immer weiter auf überhöhte Entgeltsteigerungen zu setzen.
„Wir sehen eine globale Investitionsschwäche – und wir spüren sehr schmerzhaft die Krise in für uns wichtigen Schwellenländern“
Da kann man auch eine Drohung raushören: Wenn die Gewerkschaft nicht einsichtig ist, werden die Arbeitsplätze wieder abgebaut?
Vernunft ist ein Konzept ohne jede Aggressivität. Vernunft bedeutet, dass man bei dem, was man tut, genau hinguckt. In unserer Vorstellung soll die Beschäftigung weiter steigen, nicht sinken. Aber überhöhte Lohnsteigerung mit wenig oder kaum Produktivitätswachstum – das geht nicht gut.
Dann wird stärker verlagert?
Das zeichnet sich bereits ab. Schon jetzt verliert der Produktionsstandort Bayern wie Deutschland insgesamt an Bedeutung. Jedes zweite Unternehmen von M+E Bayern hat inzwischen einen Standort im Ausland. Dort entstehen rund 30 Prozent der Wertschöpfung. Und dort spielt die Musik – darauf deuten unsere Umfragen zu den Produktions- und Investitionsplänen der Mitgliedsunternehmen hin. Wir sehen, dass sich dieser Trend verstärken wird, wenn sich die Rahmenbedingungen für produzierende Unternehmen am Standort Bayern weiter verschlechtern.
Die Gewerkschaft hat ihre Forderung vorgelegt. Was ist das Ziel der Arbeitgeber in dieser Tarifrunde?
Wir wollen einen Tarifabschluss erreichen, der für die Gesamtheit der Metall- und Elektro-Unternehmen tragbar ist und Mindestbedingungen abbildet. Der Abschluss muss sich am gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt orientieren, dabei die Entwicklung unserer Arbeits- und Lohnstückkosten relativ zum Ausland im Blick haben. Und wie gesagt: Er muss der bisher nicht gekannten Heterogenität innerhalb von M+E Bayern Rechnung tragen.
Angesichts dieser Vielfalt: Ist der Flächentarif bei M+E, der Mindestbedingungen für alle Unternehmen vorgibt, ein Auslaufmodell?
Meine Antwort ist eindeutig: Nein! Die Arbeitgeber setzen auch in Zukunft auf einen attraktiven Tarifvertrag.
Den Flächentarif stärken – da sind Sie sich mit der IG Metall einig.
Das ist wirklich ein gemeinsames Anliegen. Aber die Logik lautet doch: Nur ein attraktiver Tarifvertrag sorgt für Tarifbindung! Dazu passt die hohe Lohnforderung überhaupt nicht! Der letzte Abschluss ging für viele Unternehmen an die Grenze der Belastbarkeit – das weiß auch die Gewerkschaft. Wenn wir dauerhaft Wertschöpfung in Bayern erhalten wollen, Beschäftigung in allen Entgeltgruppen und eine hohe Tarifbindung, dann brauchen wir jetzt einen Pakt der Vernunft.