Berlin. Wie groß das eigene Zuhause ist – da sollte es doch keine zwei Meinungen geben, oder? Weit gefehlt! „Tatsächlich gibt es zwischen Mietern und Vermietern häufig Streit um die Größe der Wohnung“, sagt Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin beim Eigentümerverband Haus & Grund. Wo ist das Problem, denkt sich der Laie, und greift arglos zum Zollstock, um nachzumessen. Doch halt, so einfach ist das nicht!

Drei Experten, drei Ergebnisse

„Selbst Experten kommen bei der Vermessung zu unterschiedlichen Ergebnissen“, sagt Storm. Das hat ein Praxistest des Verbands Haus & Grund ergeben. Dabei wurden jeweils drei unabhängige Fachleute mit der Vermessung einer Altbauwohnung sowie einer Doppelhaushälfte beauftragt. Bei der Altbauwohnung lagen die gemessenen Werte zwischen 133 und 137 Quadratmetern. Beim Haus waren die Unterschiede noch größer und lagen zwischen 102 und 119 Quadratmetern. Wie kann das sein?

„Die Ursachen waren handwerkliche Fehler, Messungenauigkeiten sowie eine unterschiedliche Auslegung der Wohnflächenverordnung“, sagt Storm. Klar, wenn Menschen arbeiten, machen sie manchmal auch Fehler. Aber selbst wenn absolut sauber gearbeitet wurde, können die Ergebnisse abweichen.

Vorschriften lassen Spielraum

„In der Realität sind Wände niemals wirklich gerade, vor allem im Altbaubestand“, erklärt Storm. Je nachdem, wo der Experte den Zollstock ansetzt, gibt es also Unterschiede. Dabei gilt: Je mehr Messpunkte angesetzt werden, desto geringer sind die Ungenauigkeiten. Der größte Einflussfaktor ist aber, dass die Vorschriften zur Berechnung der Wohnfläche in einigen Punkten Spielraum haben, beispielsweise dürfen Terrassen mit 25 oder auch mit 50 Prozent angerechnet werden.

Im Streitfall können die Gutachter der beiden gegnerischen Parteien also zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es bringt auch nicht unbedingt etwas, vorbeugend ein solches Gutachten zu erstellen, um Auseinandersetzungen über die tatsächliche Wohnungsgröße von Anfang an zu vermeiden.

„Selbst wenn man auf eigene Kosten eine Vermessung der Wohnung durchführen lässt, hat man dadurch keine Rechtssicherheit“, erklärt die Juristin. Am Ende muss dann doch wieder der Richter entscheiden. Außerdem sollte man berücksichtigen, dass solche Gutachten oft mehrere Hundert, manchmal sogar mehr als 1.000 Euro kosten.

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    Kompliziert wird die Wohnflächenberechnung etwa bei Dachschrägen

    „In der Praxis sind extrem große Abweichungen bei der Wohnungsgröße sehr selten, ein teurer Rechtsstreit vor Gericht lohnt sich also in den meisten Fällen nicht“, gibt die Expertin zu bedenken. Trotzdem ist es natürlich ärgerlich, wenn man sich ständig übervorteilt fühlt. Was tun? „Man sollte versuchen, sich zu einigen“, empfiehlt die Juristin.

    Bei komplizierten Grundrissen mit vielen Schrägen und Nischen ist es am einfachsten, wenn sich die Parteien auf einen Experten verständigen, dessen Gutachten dann beide akzeptieren. In einfachen Fällen können Mieter und Vermieter die Wohnung auch gemeinsam ausmessen und diesen Wert dann als tatsächliche Wohnungsgröße ansetzen. Besonders praktisch sind Laser-Entfernungsmesser, die es im Baumarkt oder im Internet ab etwa 50 Euro gibt.

    Spielregeln richten sich nach der Wohnflächenverordnung

    Bewährt haben sich dabei folgende Spielregeln, in Anlehnung an die aktuelle Wohnflächenverordnung:

    • Nicht zur Wohnfläche gehören Keller mit wenigen Fenstern, nicht ausgebaute Dachböden, Waschkeller, Heizungsräume, Trockenräume und Garagen, also alle mitvermieteten Räume, die außerhalb der eigentlichen Wohnung liegen.
    • Zur Wohnfläche gehören sämtliche Räume innerhalb der Wohnung, also auch Bäder und Toiletten, Flure und Dielen, Speisekammern und Abstellräume.
    • Maßgeblich ist die Bodenfläche.
    • Flächen mit einer Raumhöhe von mindestens zwei Metern zählen zu 100 Prozent, zwischen einem und zwei Meter Höhe zu 50 Prozent und unter einem Meter gar nicht.
    • Türnischen und Fensternischen werden normalerweise nicht zur Wohnfläche hinzugerechnet. Ausnahme: bodentiefe Fenster/Balkontüren, wenn die Fensterlaibung mehr als 13 Zentimeter tief ist.
    • Die Stellflächen für Öfen, Badewannen/Duschen, Einbaumöbel, Türrahmen und die Fußleisten gehören zur Wohnfläche, werden also hinzugerechnet.
    • Deckenhohe (!) Mauervorsprünge, Schornsteine, Pfeiler und Säulen mit einer Grundfläche von mehr als 0,1 Quadratmetern gehören nicht zur Wohnfläche, müssen also abgezogen werden.
    • Verkleidungen und Vorsprünge (zum Beispiel im Bad) mit einer Grundfläche von mehr als 0,1 Quadratmetern gehören zur Wohnfläche, wenn sie maximal 1,50 Meter hoch sind. Sind sie höher, wird die Fläche nicht hinzugerechnet.
    • Balkone, Loggien, Terrassen und Dachgärten zählen zwischen 25 und maximal 50 Prozent. Weit verbreitet ist die hälftige Anrechnung. Wintergärten werden vollständig hinzugerechnet, wenn sie beheizbar sind, ansonsten zur Hälfte.
    Silke Becker
    Autorin

    Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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