Waltershausen. Aua, das hat wehgetan! Der Sturz beim Überqueren des Bahnübergangs war heftig. Das Vorderrad ist in die Spurrille des Tramgleises gerutscht, dabei hat es den Lenker verschlagen. Viele Fahrradfahrer wissen von solch schmerzhaften Erlebnissen zu berichten. „Mindestens 40 Grad sollte der Winkel betragen, in dem man die Gleise überquert, 90 Grad sind am besten“, sagt Matthias Klug. Gemeinsam mit seinem Kollegen Matthias Orth leitet er die unabhängige mittelständische Kautschukfirma Sealable Solutions am Gummi-Traditionsstandort Waltershausen in Thüringen. Erst im Frühjahr 2020 haben beide den Betrieb per Management-Buy-out (MBO) übernommen.

Garantierte Haltbarkeit für eine Million Überfahrten

„Wir beschäftigen uns seit 2013 mit dem Thema“, erklärt Klug. Mittlerweile hat das Unternehmen mit 180 Beschäftigten eine Lösung für das Problem am Markt. „Velogleis“ heißt das Ergebnis langjähriger Tüftelei, das es für alle Schienentypen gibt.

Eigentlich ist es simpel: Ein ausgeklügeltes Gummi-Profil füllt die Leerstellen an der Schiene. Radler können Bahnübergänge oder Haltestellenbereiche deshalb sicher passieren, Straßenbahnen und Züge drücken dank ihres Gewichts bei der Überfahrt die an der Schiene verschraubten Profile zusammen. Das elastische Gummiprofil kehrt danach sofort in die Ausgangsposition zurück.

„Wir haben trotz Gegenwind nicht lockergelassen“

„Wir garantieren mindestens zwei Jahre Haltbarkeit oder eine Million Überfahrten“, sagt Klug. Für dieses Produkt räumte Sealable – das Unternehmen gehörte damals noch zum Schweizer Konzern Dätwyler – 2018 den Innovationspreis Thüringen in der Kategorie „Tradition & Zukunft“ ab.

Etliche Kommunen sind schon auf die Innovation aufmerksam geworden. In Köln, in Düsseldorf am Werk eines Waschmittel-Herstellers oder in Basel gibt es beispielsweise schon Referenzprojekte, Interessenten informieren sich ständig in Waltershausen, eine Reihe weiterer Projekte ist schon in Arbeit. Die Entwicklung des Velogleises, gestartet 2013 mit einem Projekt in Zürich, war für die Firma ein Kraftakt. Alle Lösungen, die andere vorher gefunden hatten, waren entweder viel zu teuer oder der Gummi hielt nur kurze Zeit durch. Was haben die Thüringer besser gemacht? „Wir haben trotz Gegenwind nicht lockergelassen“, verrät Klug.

Verschlissene Gummiprofile lassen sich schnell austauschen

Immer wieder wurde ausprobiert, infrage gestellt, neu überlegt. „Wir haben einen großen Aufwand betrieben“, erläutert Klug, „neue Lösungen getestet, durchgerechnet und geprüft.“ Welche Gummimischung ist die beste, wie lange hält das extrudierte Gummiprofil der mechanischen Belastung und den Witterungseinflüssen stand? Wie befestigt man das Profil sicher und leicht tauschbar an der Schiene?

„Heute halten wir weltweit zwei diesbezügliche Patente, haben gegenüber dem Wettbewerb einige Jahre technologischen Vorsprung, auch den Einbau und die Herstellung der Schiene betreffend“, sagt Klug. Dabei kooperiert Sealable in Deutschland mit einem Bahntechnikunternehmen aus Hamm.

Nachrüsten lassen sich einmal verlegte Gleise nicht, aber bei Wartungen lässt sich die betreffende Stelle, etwa an Haltestellen oder Übergängen, rasch wechseln. Ebenso verhält es sich bei abgenutztem Gummiprofil. Und das in Zeitfenstern von nur wenigen Stunden. Schließlich macht der Verkehr in der Nacht nur kurze Pausen.