Wuppertal. Ein riesiger Kamin ist ein neues Wahrzeichen des Bayer-Standorts in Wuppertal: Der 45 Meter hohe Schornstein gehört zu einem Gaskraftwerk, das ab Frühsommer die Stromversorgung der Pharmaproduktion weiter verbessert.

Der Bayer-Konzern will bis 2030 klimaneutral werden – die Wuppertaler tragen mit dieser und anderen Maßnahmen dazu bei.

„Zum Glück waren wir noch nie von einem Blackout betroffen, aber wir sorgen für eine solche Situation vor“, sagt der zuständige Werkingenieur Volker Klotzki. Am Standort arbeiten rund 3.100 Mitarbeiter in der Produktion sowie im Forschungs- und Entwicklungszentrum.

Die Herstellung von Medikamenten-Wirkstoffen benötigt viel Energie – am Tag bis zu zehn Megawattstunden. „In Spitzenzeiten kommen wir auf zwölf Megawattstunden“, so Klotzki. Die neuen Gasmotoren haben eine Leistung von nur zwei Megawatt: Damit können im Notfall einige wichtige Anlagen, Server und Analysegeräte weiterbetrieben werden.

Das neue Kraftwerk soll zudem Verbrauchsspitzen mit Eigenstrom decken: „Damit halten wir die öffentlichen Übertragungsnetze frei von Überlastung und tragen zur Versorgungsstabilität insgesamt bei“, sagt der Werkingenieur.

Grund für die ganze Aktion ist der immer höhere Anteil von Ökostrom im Netz. Die erneuerbaren Energien erzeugten im ersten Quartal des Jahres über die Hälfte der Strommengen in Deutschland. Aber: Je nachdem, wie die Sonne scheint und der Wind weht, gibt es mal mehr, mal weniger davon. „Das Netz stabil zu halten, ist ein ziemliches Kunststück“, weiß Klotzki.

Wetterkapriolen und Spekulanten sorgen für Stress

Allein im Juni 2019 hätte es dreimal zum totalen Stromausfall kommen können. Daran waren nicht nur Wetterkapriolen schuld, sondern auch Spekulationen an der Strombörse. Aktuell verursacht die Coronakrise ungewöhnliche Lastschwankungen.

Mehrere Unternehmen, etwa Air Liquide, helfen den vier großen deutschen Netzbetreibern, das Netz zu stabilisieren: Sie fahren ihre Produktion flexibel hoch und runter. So puffern sie die Schwankungen ab. Das spart teure Investitionen in Reservekraftwerke und Stromspeicher.

Aber bei Bayer Wuppertal lassen sich nicht einfach der Stecker ziehen und Teile der Produktion für eine kurze Zeit abschalten. Deshalb geht der Standort einen anderen Weg. Ein ausgeklügeltes System misst ständig den Stromverbrauch: „Wird ein Schwellenwert überschritten, starten die Generatoren vollautomatisch und kappen die Spitze“, erklärt Klotzki. „Wir analysieren unseren gesamten Verbrauch und sind sogar in der Lage zu erkennen, ob in der nächsten Viertelstunde zehn Megawattstunden überschritten werden.“

Saubere Energiebilanz durch Ökostrom und Optimierung

Das hilft nicht nur dem Unternehmen: „Mit der zusätzlichen Eigenerzeugung von Strom halten wir das öffentliche Netz frei zur Übertragung von erneuerbaren Energien“, sagt der Ingenieur.

Das Erdgas, mit dem die Generatoren funktionieren, ist zwar ein fossiler Brennstoff. Aber er verursacht weit weniger Emissionen als Kohle. Zudem lässt sich damit ein Reservekraftwerk wie dieses sehr flexibel betreiben.

Die Energiebilanz des Standorts fällt sauber aus: Bayer Wuppertal bezieht zunehmend Ökostrom, den Dampf für die Produktion liefern die Stadtwerke aus der Müllverbrennung.

Das größte Potenzial, um weiter CO2 zu sparen, sieht Klotzki in der Energieeffizienz: „Wir haben viele Möglichkeiten, den Energieverbrauch noch mehr zu senken. Etwa durch Wärmerückgewinnung, Dämmung von Labor- und Bürogebäuden sowie ständiges Optimieren der Prozesse.“

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

Alle Beiträge der Autorin