„Wir wollen uns ein zweites Standbein antrainieren“, sagt Udo Schmitz. Und selten passte diese Sportmetapher so gut auf ein Unternehmen wie auf Philippine. Kurz vor dieser Aussage hatte Schmitz, einer der Geschäftsführer des Lahnsteiner Kunststoffproduzenten, noch selbst trainiert: Er hatte die Faszienrolle „Achillesfreund“ ausprobiert und war sich mit einem „TwoBall“-Doppelball den Oberschenkel entlanggefahren.

Groß geworden ist Philippine mit technischen Kunststoffen wie EPP. Dieses expandierte Polypropylen steckt etwa in Stoßfängern und Türen von Autos. Auch Polyurethane, Schallschutz- und andere Schäume werden in Lahnstein verarbeitet, 85 Prozent des Umsatzes von zuletzt 64 Millionen Euro macht Philippine mit der Autoindustrie.

Der Physiotherapeut von Angelique Kerber hat beraten

„Aber unsere Stammmärkte verändern sich“, sagt Schmitz. Bevor sie schrumpfen, suchte der Geschäftsführer ergänzende Betätigungsfelder: „Was können wir mit unseren Werkstoffen und unserem Know-how sonst herstellen?“ Ein Ergebnis seiner Recherche war Anfang 2018: Faszienrollen, mit denen man zum Training oder zur Entspannung das Bindegewebe beackert.

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Sie bestehen aus dem Philippine-Kernprodukt EPP. Und Schmitz erkannte – unterstützt von Experten wie dem Physiotherapeuten von Tennisstar Angelique Kerber – das Potenzial in der Optimierung bestehender Faszienprodukte.

Im November 2018 ging die Linie „Philfit“ an den Start. Ihre Innovationen: Durch ein Loch in Rollen und Bällen kann eine Stange geführt werden, „das erlaubt eine kontrolliertere und besser dosierte Eigen- und Partneranwendung“, erklärt Schmitz. Der patentierte Halter fixiert die Rolle und erleichtert dadurch ebenfalls die Nutzung.

An der Wand ließen sich so Rückentrainingsstationen einrichten. Auch fürs betriebliche Gesundheitsmanagement, betont Schmitz: „In der Chemieindustrie arbeiten viele im Sitzen und verspannen. Denen könnte man eine Halterung samt Rolle an die Wand vor der Kantine schrauben.“ Die Gesundhaltung der Mitarbeiter gehört schließlich zu den Kernanliegen der Chemie-Sozialpartner, Geldtöpfe hierfür haben die Betriebe. Ein weiterer Pluspunkt für Unternehmen: Philfit-Produkte lassen sich mit Namen oder Logo individualisieren. „Wenn also eine BASF ihren Mitarbeitern zu Weihnachten ein Set schenken wollte …“

Fitnessprodukte aus dem eigenen Online-Shop

Technisch war der Einstieg in die Fitnesswelt einfach: „Unsere Entwicklungsingenieure haben dasselbe getan wie für die Automobilindustrie – eine Problemstellung im Werkzeugbau und der Produktion gelöst“, sagt Schmitz. In den Produktionsanlagen wird Kunststoffgranulat in formgebende Werkzeuge gefüllt, durch die 130 Grad heißer Wasserdampf mit sechs Bar Druck geblasen wird, der das Granulat anschmilzt.

Beim anschließenden Abkühlen verschweißen die Kunststoffperlen miteinander zu Philfit-Rollen oder -Bällen oder einem der knapp 2.000 verschiedenen Automobilteile.

Ganz anders als bislang läuft der Philfit-Vertrieb: Philippine verkauft an Endkunden. Mit Thermoboxen hatte das Unternehmen erste Erfahrungen darin gesammelt, die es nun im Shop unter www.philfit.de, bei Ebay und Amazon ausbaut.

„Wir suchen nach Produkten, die wir direkt an den Abnehmer verkaufen können, und lernen, wie solche Märkte funktionieren. Haben wir das gelernt, gäbe es viele Möglichkeiten, Produkte auf den gleichen Weg zu bringen“, sagt Schmitz. Er denkt etwa an Arbeitsunterlagen für Hand- und Heimwerker aus stark abriebfestem Material. Vorbild sind Kunststofflippen, die Philippine für Räumfahrzeuge produziert.

Erst aber die Faszien. Der Marktführer setze im Jahr allein zwei Millionen große Rollen ab, sagt Schmitz. „Wir streben 10 Prozent des Markts binnen zwei bis drei Jahren an.“ Der Trainingsplan steht.

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