Arbeitnehmer zahlen Monat für Monat ihre Steuern. Die werden durch den Arbeitgeber vom Lohn abgeführt. „Darum besteht im Prinzip keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für Arbeitnehmer“, sagt Wolfgang Wawro, Steuerexperte des Deutschen Steuerberaterverbands. Aber wie so oft gibt es auch hier viele Ausnahmen. „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine Steuererklärung stets dann erforderlich ist, wenn durch eine bestimmte Situation die Steuerlast höher ausfallen könnte als üblich“, sagt Wawro. Dann wird sich meist eine Nachzahlung ergeben. Gründe für eine mögliche höhere Steuerlast gibt es viele.

Häufige Gründe für eine Steuerabgabepflicht

Eine Steuererklärung muss zum Beispiel abgeben, wer parallel weitere Lohneinkünfte bezieht oder zusätzlich zum Lohn Nebeneinkünfte hat, die über 410 Euro liegen. Beispiel: „Ein Arbeitnehmer, der nebenberuflich Vorträge hält“, sagt Wawro. Er bekommt dafür Honorare. Davon kann er wiederum Betriebsausgaben absetzen – beispielsweise die Kosten für Fachliteratur, die er benötigt, um seine Vorträge zu organisieren. Kommen weitere Einkünfte - auch negative - dazu, werden sie miteinander verrechnet. Bleiben am Ende mehr als 410 Euro übrig, muss der Arbeitnehmer eine Steuererklärung machen. Bei betrieblichen Einkünften ist stets die elektronische Einreichung der Steuererklärung gefordert.

„Auch wer Einkünfte hat oder Leistungen erhält, die dem sogenannten Progressionsvorbehalt unterliegen, muss eine Steuererklärung abgeben, wenn mehr als 410 Euro übrig bleiben“, erklärt der Steuerexperte. Progressionsvorbehalt bedeutet, dass ein Steuerzahler steuerfreie Leistungen wie Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Mutterschaftsgeld oder Elterngeld bezieht oder Einkünfte aus einer Ferienwohnung im EU-Ausland hat, die dort versteuert werden müssen. „Dieses Geld bleibt hier steuerfrei beziehungsweise ist schon im Ausland versteuert“, so Wawro. „Es erhöht aber den Steuersatz des Betreffenden. Dann muss er unter Umständen höhere Steuern bezahlen.“

Ehepaare, die zusammen veranlagt werden, müssen ebenfalls eine Steuererklärung abgeben, sobald einer von beiden seinen Lohn in der Steuerklasse V oder VI versteuert oder falls sich das Paar in der Steuerklasse IV den sogenannten „Faktor“ hat eintragen lassen. „Mit dem Faktor wird mehr Gerechtigkeit bei der Steuer erzielt“, so Wawro. „Wer nur 20 Prozent des Familieneinkommens verdient, muss dementsprechend auch weniger Steuern zahlen als der Partner.“

Eltern, die nicht zusammen veranlagt werden können, weil sie beispielsweise getrennt leben, müssen dann eine Steuererklärung abgeben, wenn der Ausbildungsfreibetrag für ein volljähriges Kind oder der Pauschbetrag für ein behindertes Kind nicht hälftig gelten soll, sondern in einem anderen Verhältnis. „Zum Beispiel kann der Elternteil, bei dem das Kind die meiste Zeit lebt, sich einen höheren Freibetrag eintragen lassen und zahlt dadurch weniger Steuern“, erklärt der Steuerfachmann.

Wer 2019 als Single mehr als 11.600 Euro oder als Paar mehr als 22.050 Euro verdient hat und sich einen Freibetrag für beispielsweise hohe Werbungskosten hat eintragen lassen, muss ebenfalls eine Steuererklärung abgeben. Hohe Werbungskosten kann ein Arbeitnehmer haben, der jeden Tag einen weiten Weg zur Arbeit zurücklegt. Auch der Steuerpflichtige, der zum Beispiel entlassen wurde und eine Abfindung bekam, muss eine Steuererklärung abgeben.

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Seltenere Gründe für eine Steuerabgabepflicht

Zusätzlich zu diesen Gründen gibt es einige, die im Steueralltag eher selten dazu führen, dass man eine Steuererklärung abgeben muss. Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer streitet mit seinem ehemaligen Arbeitgeber vor Gericht um nachträglichen Lohn, bekommt Recht und muss diesen versteuern. Oder: Ein Arbeitnehmer heiratet in dem Jahr wieder, in dem er geschieden oder in dem seine Ehe aufgelöst wurde oder sein Partner starb – dann besteht ebenfalls eine Abgabepflicht für die Steuererklärung.

Das gilt auch für Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, aber im EU-Ausland leben. Sie können ihren Lohn unter bestimmten Bedingungen in Deutschland versteuern. Verdienen sie auch in ihrem Heimatland Geld, muss dieser Lohn auch in Deutschland versteuert werden.

Hatte jemand keinen oder nur einen geringen Lohn, sodass mögliche Verluste beispielsweise aus einer nicht vermieteten Eigentumswohnung nicht verrechnet werden können, können diese Verluste ins nächste Veranlagungsjahr übertragen werden. Allerdings ist auch dann eine Steuererklärung nötig.

Und in noch einem Fall muss ein Arbeitnehmer die Steuererklärung abgeben: Dann nämlich, wenn er kirchensteuerpflichtig ist und ihm bei der Auszahlung von Zinsen, Dividenden oder Erlösen aus dem Verkauf von Wertpapieren Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten wurden – die Kirchensteuer selbst aber nicht. Dann muss sie nachträglich festgesetzt werden.

Freiwillige Abgabe der Steuererklärung

„Zwar macht eine Steuererklärung in der Regel niemandem Spaß“, so Wawro. „Trotzdem sollte man sie selbst dann abgeben, wenn man nicht dazu verpflichtet ist. Denn oft kann der Steuerzahler mit einer Erstattung rechnen.“ Die durchschnittliche Steuererstattung liegt bei 1.069 Euro. Eine Erstattung kommt dadurch zustande, dass zum Beispiel die Werbungskosten im Jahr über 1.000 Euro lagen. „Werbungskosten sind Ausgaben, die in Zusammenhang zur Arbeit stehen“, erklärt Wawro. Beispielsweise also die Kosten für Bewerbungsfotos, Berufskleidung oder die Weiterbildung. Auch eine Eheschließung oder die Geburt eines Kindes kann die Steuerhöhe beeinflussen. Spenden an gemeinnützige Einrichtungen gelten als Sonderausgaben und drücken ebenfalls die Steuerlast.

„Selbst eine teure Zahnarztbehandlung oder andere medizinische Aufwendungen können sich als ’außergewöhnliche Belastungen’ steuermindernd auswirken“, sagt der Steuerberater. Oder Geld, das man einem Handwerker oder einem Gärtner für seine Dienste im Haus überwiesen hat. Übrigens: Wer Geld bei der Bank angelegt hat, kann die von der Bank einbehaltene Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent unter Umständen erstattet bekommen. Dann nämlich, wenn er eigentlich gar keine Steuer zahlen muss oder wenn sein Steuersatz unter 25 Prozent liegt. In allen diesen Fällen kann es sich lohnen, eine Steuererklärung abzugeben.

Fristen beachten

Die Steuererklärung für 2018 und künftig muss immer bis zum 31. Juli des Folgejahres abgegeben sein. „Man kann in begründeten Fällen eine Fristverlängerung beantragen. Sie wird oft in angemessener Zeit gewährt“, sagt Wawro. Wer mit einem Steuerberater zusammen die Steuererklärung macht, hat in der Regel Zeit bis zum 28. Februar des übernächsten Jahres. An die Fristen sollte man sich tunlichst halten, denn sonst wird es unter Umständen teuer. „Bei unangemessener Fristüberschreitung drohen Verspätungszuschläge von bis zu 10 Prozent der festgesetzten Steuer“, so Wawro. Wer freiwillig eine Steuererklärung abgeben möchte, hat dazu übrigens bis zu vier Jahre Zeit. Bis zum 31. Dezember 2018 kann man also rückwirkend für 2014 Steuererklärungen abgeben.

Ab 2019, also ab der Steuererklärung für 2018, gelten neue Fristen: Die gesetzliche Abgabefrist gilt dann bis zum 31. Juli des Folgejahres. Wer mit einem Steuerberater seine Erklärung macht, bekommt dann eine Fristverlängerung bis zum 30. April des übernächsten Jahres.

Wann braucht man einen Steuerberater?

„Viele Steuerzahler schaffen es auch ohne Hilfe eines Steuerberaters, eine Steuererklärung abzugeben“, sagt Wawro. Dabei kann eine spezielle Software helfen. „Achtung: Die sehr günstigen Programme sind oft nicht aktuell und darum nicht hilfreich“, so Wawro. Wer keine Zeit oder keine Lust hat, oder wem die Steuererklärung aufgrund von Ausnahmeregelungen doch zu komplex wird, kann natürlich zum Steuerberater gehen (Steuerberatersuche unter dstv.de). Auch die Lohnsteuerhilfevereine (vlh.de) können für Arbeitnehmer eine Anlaufstelle sein.

Leserfrage: Wann sollte man die Steuererklärung nachreichen?

Jörg B. aus dem Kreis Göttingen: 
Sie haben berichtet, dass man eine Steuererklärung machen muss, wenn man Lohnersatzleistungen wie Eltern- oder Arbeitslosengeld in Höhe von mehr als 410 Euro pro Jahr erhält. Was tun, wenn das 2017 der Fall war, man für dieses Jahr aber keine Steuererklärung abgegeben hat?

aktiv: 
„Die Steuererklärung sollte so schnell wie möglich nachgereicht werden“, rät Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler, „letztlich erfolgt ein Abgleich zwischen dem Finanzamt und dem Träger der Lohnersatzleistung.“ Klocke empfiehlt ein begleitendes Anschreiben mit dem Tenor, dass die Steuererklärung nur irrtümlich nicht abgegeben worden ist. Falls man dann tatsächlich Steuern nachzahlen muss, kann vom Amt zusätzlich ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Die meisten Arbeitnehmer bekommen allerdings nachträglich Steuern zurück – und wenn das der Fall ist, hat eine verspätete Abgabe keine weiteren Folgen.