Wenn in Deutschland jemand stirbt, der kein Testament gemacht hat, dann gilt die „gesetzliche Erbfolge“. Ihre Regeln stehen schon seit Kaisers Zeiten weitgehend unverändert im Bürgerlichen Gesetzbuch.
Zwar kann man sich dazu einen alten Grundsatz merken: „Das Gut rinnt wie das Blut.“ Aber oft rinnt es dann eben nicht nach unten! Manchmal nimmt es weite Umwege… Und in zwei Fällen kommt es auf die Blutsverwandtschaft überhaupt nicht an.
Beim ersten dieser beiden Fälle geht es natürlich um den Ehepartner. Der erbt zunächst normalerweise die zum Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke – das ist der sogenannte „Voraus“, der grundsätzlich nichts mit dem restlichen Nachlass zu tun hat.
Der Ehepartner erbt die Hälfte, die Kinder die andere Hälfte
Außerdem steht dem Ehegatten in den meisten Fällen die Hälfte des Erbes zu, allen Kindern zusammen die andere Hälfte. Bei drei Kindern zum Beispiel bekommt also jedes Kind ein Sechstel des Erbes, wenn es kein Testament gibt (über das spezielle „Berliner Testament“ für Ehepaare informiert ein eigener aktiv-Bericht).
Bei kinderlosen Paaren erhöht sich der Erbteil des Ehepartners auf drei Viertel. Das letzte Viertel steht in solchen Fällen den Eltern des Verstorbenen zu – leben die nicht mehr, seinen Geschwistern – und sind auch die verstorben, den Kindern der Geschwister.
Achtung: Gibt es weder Trauschein noch Testament, geht der Partner völlig leer aus
Nur wenn man weder Kinder noch Geschwister noch Eltern noch Großeltern hinterlässt, erbt der Ehepartner automatisch alles. In anderen Fällen muss man per Testament dafür sorgen! Über diese wenig bekannte Falle für kinderlose Paare hat aktiv schon früher berichtet.
Wissen sollte man auch, dass für Paare mit per Ehevertrag vereinbartem Güterstand andere Regeln gelten. Und natürlich, dass der überlebende Partner einer „wilden Ehe“, also einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, ohne Testament völlig leer ausgeht! Zu Kaisers Zeiten war so etwas ja noch nicht vorgesehen … Übrigens werden unverheiratete Partner, wenn sie per Testament bedacht werden, dann auch bei der Erbschaftsteuer extrem benachteiligt.
Und nun zum zweiten Fall, in dem die Blutsverwandtschaft keine Rolle spielt: Adoptivkinder werden genauso behandelt wie leibliche Kinder. Und bei Letzteren sind inzwischen nichteheliche „Abkömmlinge“ den ehelichen Kindern erbrechtlich gleichgestellt. Alle Kinder erben laut Gesetz „zu gleichen Teilen“.
Wenn es kaum Angehörige gibt, erbt womöglich der Cousin…
Wie sich die gesetzliche Erbfolge ansonsten auswirkt, können einfache Beispiele schnell verdeutlichen. Nehmen wir eine normale Familie: Papa, Mama und zwei Töchter, die ihrerseits je zwei Kinder haben. Eine Tochter ist schon vor dem Vater verstorben. Dessen Nachlass geht dann zur Hälfte an seine Frau, zu einem Viertel an die eine Tochter – und die Kinder der anderen Tochter erhalten je ein Achtel (es erbt aber nicht etwa der Mann der toten Tochter).
Wo es Kinder oder auch Enkel gibt, rinnt das Vermögen also stets nach unten. Die vertraute Schwester oder auch der Lieblingsneffe erben ohne Testament gar nichts.
Mangels eigener Nachkommen rinnt der Nachlass aber erst auf- und dann womöglich seitwärts! Stirbt ein kinderloser Single ohne Geschwister, erben seine Eltern. Sind die schon verstorben, kommt es auf die Großeltern und deren Abkömmlinge an. Ist dann zum Beispiel ein ungeliebter Cousin der einzige lebende Verwandte, bekommt der: alles.
Nur wenn es gar keine Verwandten gibt, erbt am Ende einfach der Staat.
Kinder enterben? In aller Regel gelingt das nur halb!
Wer nun sein Hab und Gut nicht einfach nach diesen gesetzlichen Vorgaben verteilt sehen will, der muss sich eben beizeiten um das unbequeme Thema des eigenen Ablebens kümmern – und ein Testament schreiben.
Wissen sollte man auch, dass man den Nachwuchs dabei nicht etwa einfach „enterben“ kann: Kinder (wie übrigens auch der Ehegatte) haben fast immer einen Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser Pflichtteil ist stets halb so hoch wie der gesetzliche Erbteil.
Setzt also zum Beispiel ein dreifacher Vater, dessen Frau schon verstorben ist, seine Lieblingstochter per Testament zur Alleinerbin ein, bekommt sie am Ende trotzdem nur zwei Drittel des Erbes – auf je ein Sechstel können die anderen beiden Kinder Anspruch erheben.
Übrigens: Je mehr man zu hinterlassen hat, umso mehr lohnt es sich natürlich, Geld für eine anwaltliche Beratung auszugeben und ein „öffentliches Testament“ zu errichten. So ein Dokument ist dann im Fall des Falles schnell zu finden: über das Zentrale Testamentsregister, das von der Bundesnotarkammer geführt wird.
Leserfragen: Welche Freibeträge haben Adoptivkinder?
Rainer B. aus Riedstadt: Sie haben erklärt, warum für eine geerbte Immobilie in bestimmten Fällen keine Erbschaftsteuer fällig wird. Gilt diese Familienheim-Regelung auch für Adoptivkinder?
aktiv: Klare Antwort: Ja, natürlich! Tatsächlich ist es aber nach wie vor eine häufig gestellte Frage, ob im Erbfall für adoptierte Kinder wohl dieselben Steuerregeln gelten wie für leibliche Kinder. Das bestätigt Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg. Er fasst die Rechtslage so zusammen: „Adoptierte Kinder sind leiblichen Kindern gleichgestellt.“ Das heißt, auch adoptierte Kinder gehören der gesetzlichen Erbfolge an. Auch sie haben bei der Erbschaftsteuer einen persönlichen Freibetrag von 400.000 Euro. Auch sie haben Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil (mehr dazu: aktiv-online.de/pflichtteil). Und auch für sie gilt: Leben sie nach dem Tod der Adoptiveltern im Familienheim, können sie dieses steuerfrei übernehmen– zusätzlich zum erwähnten Freibetrag. Etwas anders sind die Regeln übrigens für Stiefkinder: „Da Stiefkinder von Gesetzes wegen nicht automatisch Erben von Stiefmutter oder Stiefvater sind, müssen diese ihre Stiefkinder testamentarisch bedenken, wenn sie erben sollen“, erklärt Jurist Bittler. Dann aber dürfen die angeheirateten Kinder denselben Freibetrag wie die leiblichen Kinder geltend machen.
Frank P. aus Tuttlingen: Sind dann Adoptivkinder zweimal erbberechtigt, also bei den Adoptiveltern und den leiblichen Elternteilen? Oder hebt das eine das andere dann auf?
aktiv: Man muss da zwei Fälle unterscheiden, wie Jan Bittler erklärt, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg. Wird ein minderjähriges Kind adoptiert, erlöschen dadurch die Verwandtschaftsbeziehungen zu den leiblichen Eltern. „Somit könnte das Kind im Erbfall, sofern die leiblichen Eltern es denn als Erbe testamentarisch bedenken, auch nicht mehr den hohen Freibetrag von 400.000 Euro geltend machen.“ Anders ist die Rechtslage, wenn ein Mensch erst im Erwachsenenalter adoptiert wird. In diesem Fall bleiben die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den leiblichen Eltern bestehen – mit der Folge: „Ein volljähriger Adoptierter hat quasi vier Eltern, von denen er nach der gesetzlichen Erbfolge erben kann“, so Bittler, „dementsprechend steht ihm auch von vier Elternteilen der Erbschaftsteuer-Freibetrag zu.“