München. Ein Auto, bei dem hinten nur Wasserdampf rauskommt. Ein Zug, der keine Oberleitung braucht. Ein Dorf, das sich klimafreundlich mit Strom versorgt, selbst wenn gerade mal kein Wind weht oder keine Sonne scheint. Das alles sind Einsatzmöglichkeiten für Wasserstoff (H2) – nicht erst morgen, sondern heute. Die Technik ist greifbar, wird bereits erprobt.

Sicher, bis das alles wirtschaftlich ist und gut funktioniert, ist noch eine Menge Forschung nötig. Mindestens genauso wichtig ist, dass für den Transport von Strom und Wasserstoff ausreichend Infrastruktur bereitgestellt wird. Doch Bayern hat sich früh auf den Weg gemacht. Das passt in eine Zeit, in der Deutschland klimaneutral und unabhängig von Energielieferungen aus dem Ausland werden will, Stichwort: Krieg in der Ukraine.

Wird der Energieträger Wasserstoff „grün“ erzeugt, also mit erneuerbaren Energien, rechnet sich das doppelt für den Klimaschutz. H2-Technologien werden so nicht nur zur umweltfreundlichen Alternative für Transport und Mobilität. Sie könnten künftig eine wichtige Rolle in zentralen Industrieprozessen spielen, in der Stahlerzeugung oder beim Betrieb von Zementöfen, beides Verfahren, die wegen der hohen Temperaturen viel Energie verschlingen.

Ins Allgäu rollt bald ein Wasserstoffzug von Siemens

„Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in fast allen Sektoren der deutschen und bayerischen Wirtschaft“, bestätigt das Zentrum Wasserstoff (H2.B) in Nürnberg. Die vom Freistaat finanzierte Stelle arbeitet an Strategien für das Zukunftsfeld und koordiniert die Arbeit des Wasserstoffbündnisses Bayern. Darin haben sich 250 Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammengeschlossen, um das Hochfahren der H2-Industrie voranzutreiben.

In diesem Schritt steckt viel drin, auch neue Jobs. „Wasserstofftechnologien werden global immer weiter an Bedeutung gewinnen und neue Absatzmärkte für bayerische Hightech-Produkte schaffen“, so ein Strategiepapier von H2.B. Die bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände bayme vbm, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sowie Unternehmen von Audi und BMW bis Linde, MAN und Siemens sind beteiligt.

Viele bayerische Firmen springen auf den Wasserstoff-Zug auf, im wahrsten Sinne des Wortes. Dank einer Technologiepartnerschaft zwischen Freistaat und Siemens Mobility soll ab Mitte 2023 der erste wasserstoffbetriebene Zug in Bayern verkehren, von Augsburg nach Füssen (zunächst im Test, Fahrgastbetrieb ab 2024). Wasserstoff ersetzt dabei den Dieselantrieb auf nicht elektrifizierten Strecken. Das ist günstiger, als neue Oberleitungen zu bauen. Siemens Mobility liefert die Technik für den Triebzug, der Freistaat unterstützt das Projekt mit mehreren Millionen Euro.

Der Zug wird auf Basis der „Mireo Plus“-Plattform von Siemens entwickelt. Hauptkomponenten sind auf dem Dach montierte Brennstoffzellen. Sie gewinnen die Energie für Antrieb und Bordsysteme aus in Tanks gespeichertem Wasserstoff sowie Sauerstoff aus der Umgebungsluft. Komplettiert wird das System von Unterflurbatterien.

„Der Wasserstoffantrieb ist eine emissionsfreie und fortschrittliche Antriebsform für Züge, die die Dekarbonisierung des Schienenverkehrs ermöglicht“, so Albrecht Neumann, CEO Rolling Stock von Siemens Mobility.

So fördert der Freistaat die „Bayernflotte“ von MAN

Nicht nur auf der Schiene, auch auf der Straße arbeitet man an alternativen Antrieben auf Basis von H2. Sogar im Schwerlastverkehr.

So forscht Nutzfahrzeughersteller MAN neben Elektro-Trucks an H2 und entwickelt im Projekt „Bayernflotte“ mit den Partnern Bosch, ZF und Faurecia einen Brennstoffzellen-Lkw (Fördersumme: 8,5 Millionen Euro). Speditionen sollen ihn ab 2024 testen. Nach heutigem Stand der Technik haben Lkws mit Brennstoffzellen eine höhere Reichweite als solche mit Batterie. Die Energiekosten von H2 seien im Betrieb aber noch deutlich höher.

Auch der BMW „iX5 Hydrogen“ absolvierte jüngst Testfahrten, im hohen Norden. Selbst bei eisigen Temperaturen hat er nach Unternehmensangaben die gleiche Alltagstauglichkeit wie ein Verbrenner. Das Fahrzeug kombiniert Brennstoffzelle mit Wasserstoff. Er wird in zwei Tanks gespeichert. Die Brennstoffzelle wandelt ihn in Strom um. Zusätzlich kann der E-Motor die in einer Batterie gespeicherte Energie nutzen. Sie wird beim Bremsen oder über die Brennstoffzelle geladen.

Der Ort Wunsiedel versorgt sich selbst – mit Elektrolyse

Das Auffüllen der Tanks dauert nur drei bis vier Minuten. Nur: Tankstellen fehlen. Die EU will sie im Abstand von 150 Kilometern entlang der Hauptverkehrsstraßen errichten. Aber das dauert noch. Und: Bisher gibt es auch nicht genügend grün erzeugten Wasserstoff für all die neuen Anwendungen.

Der Bedarf an Wasserstoff wird steigen, erwartet die vbw (siehe Grafik). Um damit Schritt zu halten, müssten auch die inländischen Erzeugungskapazitäten massiv ausgebaut werden.

Eine Lösung ist Elektrolyse. Erste Projekte gibt es bereits: In Wunsiedel im Fichtelgebirge entsteht die größte Wasserstoffelektrolyse-Anlage Bayerns. Darin wird Wasser mittels Anlegen einer elektrischen Spannung in H2 und O2 gespalten. In dem Kooperationsprojekt mit Siemens produziert und nutzt die Gemeinde den Wasserstoff vor Ort.

Die Energie dafür liefern Windkraft und Photovoltaik. Abwärme und den anfallenden Sauerstoff nutzt ein benachbarter Industriebetrieb. Bis zu 1.000 Tonnen H2 schafft die Anlage im Jahr. Fehlen Sonne und Wind, übernimmt Wasser: Bei Dunkelflauten wird der Wasserstoff wieder zu Strom gemacht.

Wissen zu Wasserstoff

  • Hydrogenium (H2): Das Gas ist leichter als Luft, ungiftig, kommt in der Natur aber nicht in reiner Form vor.
  • Mittels Elektrolyse lässt es sich aus Wasser abspalten.
  • Der Energieträger lässt sich gut speichern.
  • „Grüner“ Wasserstoff, mittels erneuerbarer Energien hergestellt, gilt als Hoffnungsträger der Energiewende.
  • In Bayern koordiniert das „Zentrum Wasserstoff.Bayern“ das Zusammenspiel von Forschung und Industrie: h2.bayern.
Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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