Köln/Bonn. Mit 15 Jahren beim Ladendiebstahl erwischt? Gottlob, solche Jugendsünden erscheinen nicht im Führungszeugnis. Schwere Delikte wie ein Raubüberfall dagegen schon. Unter Umständen setzt man damit seine berufliche Zukunft aufs Spiel. Denn viele Arbeitgeber verlangen von Bewerbern ein Führungszeugnis (Englisch: criminal record certificate).

„Das amtliche Dokument dient als Nachweis darüber, ob jemand vorbestraft ist oder nicht“, erklärt der Kölner Fachanwalt für Strafrecht Ulrich Sommer, langjähriges Mitglied im Deutschen Anwaltverein.

Auszug aus dem Bundeszentralregister

Grundlage für die Informationen auf dem grünen Spezial-Papier ist das Bundeszentralregister. Es wird geführt vom Bundesamt für Justiz in Bonn. In der elektronischen Datenbank sammelt die Behörde zentral alle Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland und speichert sie je nach Schwere der Tat für eine gesetzlich geregelte Zeit nach dem Bundeszentralregister-Gesetz (BZRG).

Derlei Auskünfte sind gefragt: Das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn erteilt jährlich rund 4,5 Millionen Führungszeugnisse..

Das Führungszeugnis ist ein Auszug aus diesem Zentralregister. Vermerkt werden auf dem Blatt neben den Personendaten Informationen, die von öffentlichem Interesse sind. Zum Beispiel, ob der Betreffende vor Gericht rechtskräftig verurteilt worden ist.

Seit 2019 hat das Dokument ein leicht verändertes Aussehen, aus Datenschutzgründen und für höhere Fälschungssicherheit: Neben dem großen weißen Adressfeld steht nun die Bezeichnung der Personendaten auf Deutsch, Englisch und Französisch. Auch die Eintragungen sind dreisprachig. Dokumente, die noch in der alten Form ausgestellt worden sind, verlieren aber nicht ihre Gültigkeit.

Auskunft geben drei Arten von Führungszeugnissen

Egal, ob man sich nun bewirbt, eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer beginnt oder ein Praktikum im Kindergarten macht. Ob man ein Visum zum Arbeiten in Australien beantragt oder in Deutschland Beamter werden will: Es gibt viele Anlässe, für die man ein Führungszeugnis braucht. Drei Arten von Dokumenten gibt es hier:

1. Polizeiliches Führungszeugnis für private Zwecke

Am bekanntesten und häufigsten verwendet ist das private Führungszeugnis, das im Volksmund als „polizeiliches Führungszeugnis“ bezeichnet wird. Jeder Einwohner ab 14 Jahren kann es im Einwohnermeldeamt am Wohnort beantragen. Man braucht es zum Beispiel zur Vorlage beim Arbeitgeber. Das Ausstellen kostet 13 Euro und dauert rund ein bis zwei Wochen. Das Zeugnis wird einem nach Hause geschickt.

Nicht alles erscheint auf dem amtlichen Papier. Zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafen von nicht mehr als zwei Jahren werden darin ausgeklammert: „Man will Jugendlichen wegen eines geklauten Lippenstifts schließlich nicht die Zukunft verbauen“, so Sommer. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen erscheint ebenfalls nicht.

„Die Grenze spielt eine wichtige Rolle“, so der Anwalt. Denn bleibt das Strafmaß darunter, kann sich der Mandant weiterhin als „nicht vorbestraft“ bezeichnen, selbst wenn es vor Gericht zu einer Verurteilung kommen sollte. Die Grenze ist allerdings schnell überschritten: Bei Versicherungsbetrug oder einem Schaden von 1.000 Euro durch Steuerhinterziehung kann die Strafe schon 100 Tagessätze betragen.

Auch eine Freiheitsstrafe fällt im Führungszeugnis unter den Tisch, wenn sie nicht länger als drei Monate beträgt. Das gilt -wie auch bei den Tagessätzen - allerdings nur, wenn im Register keine weitere Straftat eingetragen ist. Für Wiederholungstäter gibt es also kein Pardon.

2. Behördliches Führungszeugnis nötig für Gewerbeschein

Mehr Auskünfte hält das behördliche Führungszeugnis bereit. Dieses braucht jeder, der zum Beispiel eine Gaststätte betreiben oder ein Gewerbe anmelden will. Im Unterschied zum privaten Führungszeugnis stehen in dem behördlichen auch Entscheidungen von Verwaltungsbehörden. Etwa der Widerruf einer Gewerbeerlaubnis, eines Waffenscheins oder wenn das Gericht die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt angeordnet hat.

Das behördliche Führungszeugnis landet nicht zu Hause im Briefkasten: Es wird direkt an die Behörde geschickt, die es angefordert hat. Wer vorher wissen will, was drinsteht, kann am örtlichen Amtsgericht Einsicht nehmen.

3. Erweitertes Führungszeugnis zum Kinder- und Jugendschutz

Im Kinder- und Jugendschutz schließlich ist der Staat besonders streng: Jeder, der in der Kinder- oder Jugendarbeit tätig werden will, zum Beispiel in Kindergarten, Schule oder Sportverein, muss daher ein sogenanntes erweitertes Führungszeugnis vorlegen.

Das kann jeder selbst beim Einwohnermeldeamt beantragen und bekommt es dann nach ein bis zwei Wochen per Post zugeschickt. Ehrenamtliche bezahlen fürs Ausstellen keine Gebühr, alle anderen 13 Euro. Entscheidend ist: In dem ausführlichen Zeugnis werden Sexualdelikte sowie auf Kinder und Jugend bezogene Straftaten wie „Misshandlung von Schutzbefohlenen“ oder „Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht“ länger aufgeführt als im „normalen“ Führungszeugnis.

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Einträge verjähren

Sommer weist darauf hin: „Nach Ablauf bestimmter Fristen verjähren auch diese Einträge.“ Die Verurteilungen werden dann nicht mehr in das Führungszeugnis aufgenommen. Die Länge der Frist richtet sich nach der verhängten Strafe und beträgt in der Regel zwischen 3 und 10 Jahren. Bis ein Eintrag nicht nur vom Auszug, sondern ganz aus dem Bundeszentralregister getilgt wird, dauert es noch länger: Zwischen 5 und 20 Jahren beträgt hier die Frist.

Uneingeschränkte Einsicht steht Polizei, Gerichte und Behörden zu

An manchen Stellen ist es besonders wichtig, sicher zu sein, dass ein Mensch unbescholten und ehrlich ist: Uneingeschränkte Einsicht in den gesamten Registereintrag in Bonn haben deshalb die obersten Bundes- und Landesbehörden, die Gerichte, der Staatsanwalt, die Vollzugsbehörden, die deutschen Nachrichtendienste, Finanz- und Ausländerbehörden sowie die Kriminalpolizei. Oder Arbeitgeber in sicherheitssensiblen Branchen wie Luftfahrt- oder Rüstung.

Wie alt darf das Führungszeugnis sein?

Wie aktuell das Zeugnis sein muss, entscheidet derjenige, der es sehen will – der Arbeitgeber oder die Behörde. Das Papier zeigt, welche Eintragungen am Tag des Ausdrucks gespeichert waren. Deshalb sinkt die Aussagekraft, je älter es ist. Weil man ja nicht weiß, ob der Betreffende in der Zwischenzeit doch eine Straftat begangen hat. Drei Monate gelten in den meisten Fällen noch als akzeptabel.

Führungszeugnis online beantragen

Außer mit dem klassischen Antragsverfahren können Führungszeugnisse und Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister auch direkt beim Bundesamt für Justiz beantragt werden. Damit spart man sich den Gang zur örtlichen Meldebehörde. Das amtliche Online-Portal des Bundesamts für Justiz (BfJ) ist nur über diese Seite erreichbar. Das BfJ warnt in diesem Zusammenhang vor Betrügern, die auf Gebührenzahlungen gutgläubiger Bürger aus sind. So stehen anderslautende Internetadressen, unter denen dem Anschein nach Führungszeugnisse beantragt werden können, in keinem Zusammenhang mit der Behörde.

Für den Online-Antrag braucht man den neuen Personalausweis mit freigeschalteter Online-Ausweisfunktion, die AusweisApp2 des BfJ sowie ein Kartenlesegerät.

Ein Video auf Youtube zeigt außerdem Schritt für Schritt die Online Beantragung. Aus Sicherheitsgründen werden auch die online beantragten Führungszeugnisse auf fälschungssicherem Papier in der Behörde ausgedruckt und dann per Post verschickt.

Europäisches Führungszeugnis

Auch Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die in Deutschland leben, können ein Führungszeugnis bekommen. Dieses sogenannte Europäische Führungszeugnis gibt sowohl Auskunft über den Inhalt des Bundeszentralregisters als auch des Strafregisters des Herkunftslandes.

Das Bundesamt für Justiz ersucht das Land um Mitteilung des dortigen Registerinhalts, damit dieser in das Führungszeugnis aufgenommen werden kann. Ob ein Herkunftsland ein solches Ersuchen beantwortet und die Daten übermittelt werden, richtet sich nach dessen Recht.

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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