Köln. Wenn zu wenig Arbeit für alle Beschäftigten da ist, hat ein Unternehmen eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder könnte es gute Leute kündigen und später wieder einstellen, sobald die Auftragslage wieder besser ist. Doch es ist klar, dass das weder für das Unternehmen noch für den Mitarbeiter noch für die Gesellschaft als Ganze besonders sinnvoll ist. Oder die Firma könnte ihre Leute an Bord halten und weiterhin voll bezahlen, obwohl sie weniger Geschäft macht. Das wird aber kaum ein Unternehmen lange durchhalten, weil so etwas über kurz oder lang zur Pleite führt.

Um solche Probleme zu vermeiden, gibt es in unserem Sozialstaat eine weitere Möglichkeit: Kurzarbeit. Deren Sinn ist es, gut qualifizierte Arbeitskräfte trotz vorübergehender Flaute im Unternehmen zu halten und unnötige Insolvenzen zu verhindern.

Entscheidend dabei ist, dass die problematische Situation nur vorübergehend sein darf. In Unternehmen, deren Geschäftsmodell nicht (mehr) funktioniert und die deshalb kurz vor der Pleite stehen, klappt Kurzarbeit also nicht.

Was ist Kurzarbeit?

„Kurzarbeit ist eine vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit, verbunden mit einer entsprechenden Gehaltskürzung“, erklärt die Kölner Fachanwältin für Arbeitsrecht Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht beim Deutschen Anwaltsverein.

Im Klartext: Der Arbeitnehmer wird auf Teilzeit gesetzt und erhält entsprechend weniger Geld. Im Extremfall arbeitet er sogar überhaupt nicht mehr und erhält überhaupt kein Gehalt. Im Fachjargon nennt man das Kurzarbeit Null.

Kurzarbeit muss übrigens nicht alle Mitarbeiter gleichermaßen betreffen. Das Unternehmen kann auch einzelne Abteilungen oder sogar einzelne Arbeitnehmer auf Kurzarbeit setzen, andere aber nicht.

Doch keine Angst – auch bei Kurzarbeit gibt es natürlich weiterhin Geld, das Kurzarbeitergeld (Kug). Es wird zusammen mit dem (gekürzten) Gehalt vom Arbeitgeber ausgezahlt, Arbeitnehmer müssen sich um nichts kümmern. Der Arbeitgeber muss das Kurzarbeitergeld bei der Arbeitsagentur beantragen, und die erstattet ihm auch die entsprechenden Auszahlungen.

Unter welchen Bedingungen kann der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen?

Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Grundsätzlich bedarf die Kurzarbeit der Zustimmung des Arbeitnehmers. „In bestimmten Fällen kann der Mitarbeiter aber zur Kurzarbeit verpflichtet sein“, sagt Oberthür. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Kurzarbeit in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat geregelt ist.

Auch wenn im individuellen Arbeitsvertrag eine entsprechende Klausel steht, kann der Mitarbeiter zur Kurzarbeit verpflichtet sein. Eine solche Regelung im Vertrag ist allerdings nur wirksam, wenn darin auch steht, dass der Arbeitnehmer durch den Bezug von Kurzarbeitergeld finanziell abgesichert wird.

Folglich muss das Unternehmen die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld erfüllen und diese Leistung auch tatsächlich bei der Arbeitsagentur beantragen. Es ist also nicht möglich, dass der Arbeitgeber aufgrund einer solchen Kurzarbeit-Klausel im Arbeitsvertrag einseitig Kurzarbeit anordnet und der Mitarbeiter finanziell im Regen steht.

Gibt es weder eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag noch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat, können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch individuell auf Kurzarbeit einigen. Dann ist es egal, ob die Kurzarbeitergeld-Bedingungen der Arbeitsagentur erfüllt sind.

„In diesem Fall sollte der Mitarbeiter der Kurzarbeit nur dann zustimmen, wenn das Unternehmen auch tatsächlich Kurzarbeitergeld zahlt,“ empfiehlt die Juristin. Ansonsten riskiert man nämlich, dass aufgrund der mit der Kurzarbeit standardmäßig verbundenen Gehaltskürzungen plötzlich Ebbe auf dem Konto ist.

Was ist Kurzarbeitergeld (Kug) – und wie hoch ist es?

Viele glauben, dass man – ähnlich wie beispielsweise beim Krankengeld – einen bestimmten Prozentsatz seines bisherigen Gehaltes als Kurzarbeitergeld erhält. Doch das stimmt nicht: „Die Berechnung des Kurzarbeitergeldes bezieht sich ausschließlich auf das tatsächlich ausgefallene Nettogehalt“, erläutert Oberthür. Im Normalfall erhält ein Single 60 Prozent seines ausgefallenen Nettogehaltes, Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind 67 Prozent.

Dazu ein Rechenbeispiel für einen Single: Eine Ingenieurin verdient normalerweise 3.000 Euro netto. Aufgrund von Kurzarbeit erhält sie vorübergehend nur noch 2.000 Euro netto, ihr Verdienstausfall beträgt also 1.000 Euro. Dann beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent von 1.000 Euro, also 600 Euro. Die Mitarbeiterin erhält insgesamt 2.600 Euro ausgezahlt (2.000 Euro gekürztes Gehalt plus 600 Euro Kurzarbeitergeld).

Wäre dagegen Kurzarbeit Null angeordnet, würde die Ingenieurin überhaupt nicht mehr arbeiten – und bekäme auch kein Gehalt mehr. Damit würde ihr Verdienstausfall 3.000 Euro betragen. In diesem Fall würde sie 60 Prozent davon, also 1.800 Euro Kurzarbeitergeld erhalten.

Bei Kurzarbeit wegen Corona gelten Sonderregelungen, sodass in bestimmten Fällen ein höheres Kurzarbeitergeld gezahlt wird. Manche Unternehmen stocken das Kurzarbeitergeld auch freiwillig zusätzlich auf, beispielsweise auf 90 Prozent.

Wer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld?

„Kurzarbeitergeld erhalten ausschließlich sozialversicherungspflichtig Beschäftigte“, sagt Oberthür. Ob Vollzeit oder Teilzeit ist egal, nur Minijobber haben keinen Anspruch. Azubis erhalten im Normalfall kein Kurzarbeitergeld, es gibt aber Ausnahmen.

Was ist bei Erkrankungen?

„Wer während der Kurzarbeit erkrankt, erhält sowohl die übliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfall als auch das Kurzarbeitergeld weiter“, sagt Oberthür. Finanziell ändert sich also nichts. Wer dagegen Krankengeld bezieht, hat keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Was Sie weiter wissen sollten, wenn Sie durch Krankengeld finanziell unterstützt werden wollen, lesen Sie auf aktiv-online.de.

Hat man trotz Kurzarbeit Urlaubsanspruch?

„Bei Kurzarbeit Null entsteht kein Urlaubsanspruch“, erklärt Oberthür. Solange man dagegen mit reduzierter Stundenzahl weiterarbeitet, entsteht auch Anspruch auf Urlaub. Wie viel genau das ist und insbesondere wie hoch das Entgelt während der Urlaubstage ausfällt, ist allerdings extrem kompliziert und hängt von der genauen Ausgestaltung der Kurzarbeit im Einzelfall ab. Hier kann man sich folgende Faustregel merken: Urlaubsanspruch entsteht nur an Tagen, an denen man auch tatsächlich arbeitet.

Wie lange gibt es Kurzarbeitergeld?

Im Normalfall wird Kurzarbeitergeld für maximal zwölf Monate gezahlt. In bestimmten Fällen kann die Zahlung verlängert werden, was beispielsweise in der Corona-Pandemie der Fall war.

Darf man trotz Kurzarbeit einen Nebenjob haben?

„Grundsätzlich wird das Einkommen aus einem Nebenjob bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes angerechnet“, sagt Oberthür. Ausnahme: Bestand der Nebenjob schon vor Beginn der Kurzarbeit, wird das Einkommen daraus nicht berücksichtigt. Auch während der Corona-Pandemie gab es vorübergehende Sonderregelungen, sodass nicht jeder Nebenjob voll angerechnet wurde.

Muss man Kurzarbeitergeld versteuern?

Das Kurzarbeitergeld ist zwar steuerfrei, es gilt aber der sogenannte Progressionsvorbehalt. Das Kurzarbeitergeld wird also bei der Berechnung des individuellen Steuersatzes mitberücksichtigt. Um das Prinzip zu verdeutlichen, dazu ein Beispiel, wobei die genannten Steuersätze aus Gründen der Anschaulichkeit rein fiktiv sind:

Bei einem Einkommen von 20.000 Euro beträgt der Steuersatz beispielsweise 25 Prozent, bei einem Einkommen von 30.000 Euro dagegen 35 Prozent. Aufgrund von Kurzarbeit hat der Mitarbeiter 20.000 Euro Gehalt erhalten und 10.000 Euro Kurzarbeitergeld, insgesamt also 30.000 Euro. Obwohl das Kurzarbeitergeld steuerfrei ist, wird der Steuersatz trotzdem so festgelegt, als ob der Mitarbeiter insgesamt 30.000 Euro verdient hätte (Progressionsvorbehalt). Im Beispiel bedeutet das einen Steuersatz von 35 Prozent. Folglich muss der Mitarbeiter zwar nur 20.000 Euro Gehalt versteuern, dies aber nicht mit 25 Prozent, sondern mit dem höheren Steuersatz von 35 Prozent. Mehr zum Progressionsvorbehalt lesen Sie auf aktiv-online.de

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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