Walldorf. Als der Afghane Hukmeddin Noori sich als Flüchtling zu Fuß in Richtung Westen aufmachte, da hatte er keine Ahnung, was nun aus ihm werden würde. „Man weiß nur, man muss weiter, auch wenn die Füße wehtun“, so beschreibt es der 32-Jährige. Er hat es geschafft. Und sogar schnell einen Weg ins Arbeitsleben gefunden: Vor Kurzem hat er seine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer abgeschlossen.

aktiv berichtete 2017 schon einmal über ihn und zwei weitere Flüchtlinge, die damals mit dem Unternehmen SKF Lubrication Systems Germany in Walldorf (Rhein-Neckar-Kreis) in eine Ausbildung starteten – obwohl sie kaum Deutsch sprachen und wenig Vorwissen mitbrachten. Zwei Jahre später wollen wir wissen: Was ist aus ihnen geworden?

Beim aktiv-Besuch sprechen die drei inzwischen sehr gut Deutsch: Hukmeddin Noori, Adel Safari, ebenfalls aus Afghanistan, und Joe Fatty aus Gambia. Im August haben sie ihre Prüfungen bestanden und wurden übernommen. SKF produziert in Walldorf Schmiersysteme, die überall in der Industrie zum Einsatz kommen. Nicht nur hier sind neue Mitarbeiter aus dem Ausland eine Chance, dem Fachkräfte-Engpass entgegenzuwirken.

Ohne ausländische Beschäftigte wäre die Fachkräftelücke der Wirtschaft viel größer

Denn trotz schwächelnder Konjunktur verharrt der Fachkräftemangel in den MINT-Berufen (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) auf einem bedrohlichen Niveau. Das belegt der MINT-Herbstreport des Instituts der deutschen Wirtschaft, der in Kürze erscheint. In Baden-Württemberg gab es im Oktober rund 65.400 offene MINT-Stellen, aber nur 24.800 Arbeitslose in diesem Bereich. Die Lücke wäre heute noch viel größer, wenn nicht schon viele ausländische Kräfte für Entlastung gesorgt hätten. Die Betriebe haben auch zunehmend Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. In der Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs hat sich in den vergangenen drei Jahren die Quote unbesetzt gebliebener Ausbildungsplätze von stabilen 2 bis 3 Prozent auf mittlerweile fast 6 Prozent verdoppelt.

Flüchtlinge auszubilden, ist allerdings oft nicht leicht. Bei SKF sagt Gambier Fatty: „Anfangs war es sehr schwer, vor allem die Sprache.“ Auch Personalleiterin Michaela Hellmann hatte zu kämpfen. Ganz besonders mit Formalitäten. „Die bürokratischen Hindernisse sind enorm“, sagt sie. „Ohne den Arbeitgeberverband Südwestmetall und die Integrationslotsin des Verbands hätten wir es nur schwer geschafft.“ Dass Fatty, Noori und Safari überhaupt in Kontakt mit SKF kamen, war einem Förderprogramm beim Bildungsträger BBQ (Bildung und Berufliche Qualifizierung gGmbH) zu verdanken. Als Teilnehmer absolvierten sie ein Praktikum bei SKF, das in eine Einstiegsqualifizierung mündete.

Bei einem eigens engagierten Lehrer lernten sie Deutsch – auch Fachbegriffe

Personalerin Hellmann hatte einen guten Eindruck von ihnen und bot ihnen nach der erfolgreichen Einstiegsqualifizierung Ausbildungsplätze an. Bei der Umsetzung half Annika-Maren Gebauer von BBQ, Integrationslotsin im Auftrag von Südwestmetall. Der Verband setzte 2016 insgesamt fünf solche Lotsen ein, um bei der Eingliederung von Flüchtlingen zu helfen. Hindernis Nummer eins: die Sprache. Noori konnte weder Deutsch noch Englisch. „Auch die Schrift musste ich ganz neu lernen“, schildert er. SKF engagierte eigens einen Deutschlehrer, der den dreien auch Fachbegriffe beibrachte.

SKF hatte vor allem mit gesetzlichen Hürden und Unsicherheiten zu kämpfen. So kam erst eine Woche vor Ausbildungsstart die behördliche Genehmigung dafür. Und: Mitten in der Ausbildung drohte einem der drei die Abschiebung! Nach vielen Sorgen, Formalitäten und einer Reise zur zuständigen Botschaft in Berlin konnte die Abschiebung abgewendet werden.

Für das Unternehmen hat der Aufwand sich gelohnt

Arbeitgeber SKF half, wo es ging. Matthias Zinner ist hier Ausbilder. Und, wie die Personalleiterin, voll des Lobes für die Flüchtlinge: „Die Jungs haben sich trotz aller Probleme nie beklagt, waren immer fleißig.“ Die zwei Jahre seien nicht einfach gewesen, aber: „Zusammen haben wir das geschafft.“ Zinner half sogar bei der Wohnungssuche: „Warum jemand eine Wohnung braucht, der gar keine richtige Aufenthaltserlaubnis hat, das muss man Vermietern ja erst mal erklären!“ Hintergrund: Ein Job schützt vor Abschiebung, bringt aber nicht automatisch die Aufenthaltserlaubnis – oft nur eine Duldung.

Trotz der Hürden hat sich der Aufwand für Personalleiterin Hellmann gelohnt. „Wir sind froh, dass wir uns der Herausforderung gestellt haben“, sagt sie. „So haben wir drei hoch motivierte Mitarbeiter dazugewonnen.“

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

Alle Beiträge der Autorin