Die Kontaktsperren wegen Corona haben die Bewerbungsverfahren vieler Unternehmen drastisch verändert. Zahlreiche Firmen waren von jetzt auf gleich gezwungen, ihr Personal per Videokonferenzen zu rekrutieren. Marlene Pöhlmann, Leiterin der Berliner Niederlassung des Personaldienstleisters Robert Half, der weltweit Fachkräfte vermittelt, glaubt, dass auch in Zukunft viel mehr Vorstellungsgespräche auf digitalem Weg geführt werden. Die Expertin erläutert, was Bewerber dabei beachten sollten.

Weniger Stress und Kosten für Unternehmen und Bewerber durch ein Videogespräch

Pöhlmann sieht in erster Linie Vorteile in digitalen Bewerbungsgesprächen. Unternehmen könnten Kosten sparen, da weniger oder womöglich gar keine Räume für Vorstellungsgespräche mehr nötig seien. Den Bewerbern wiederum blieben unter Umständen stressige Anreisen erspart. „Videokonferenzen machen das Ganze schneller und unkomplizierter“, so Pöhlmann. Der Erfolg des Bewerbers hänge jedoch auch vom richtigen Umgang mit dem digitalen Medium ab.

Vorbereitung ist alles: Ein Probe-Videointerview erspart böse Überraschungen

Zunächst müssen die Voraussetzungen für das Gespräch stimmen. Beim Unternehmen sollten sich Bewerber rechtzeitig über die genutzte Technik informieren, so die Expertin. Besonders häufig kämen bei Video-Schalten die Programme Skype und Microsoft Teams zum Einsatz.

Nicht nur die passende App gelte es herunterzuladen, ratsam sei es auch, im Vorfeld ein Probegespräch zu führen. Etwa mit dem besten Freund oder Freundin. Dabei gilt es die Tonqualität zu prüfen, die Internetverbindung und die Ausrichtung der Kamera. Auch mit aktuellen Smartphones lassen sich mittlerweile gute Videokonferenzen führen – wenn das Gerät denn richtig und standsicher ausgerichtet ist.

Tipps von der Expertin: Headset nutzen, Abstand zur Kamera testen

Ein Headset dient in der Regel einer besseren Tonqualität und sollte daher genutzt werden. Der Kopf des Bewerbers erscheint im Bild am besten im Passbildformat, das heißt, dass links, rechts und oben noch etwas Platz sein darf, der Körper sollte ab Brusthöhe im Bild erscheinen. „Man sollte mit passendem Abstand zur Kamera sitzen und das vor dem Gespräch auf jeden Fall testen“, so die Niederlassungsleiterin.

Für den Notfall wichtig: Telefonnummer des Unternehmens parat haben

Ein drehbarer Stuhl eigne sich übrigens nicht für eine Online-Bewerbung: Er verführe zu nervösen Bewegungen des Job-Aspiranten. „Am besten nimmt man sich einen bequemen Stuhl und sitzt aufrecht.“ Schaden könne es auch nicht, sich eine Telefonnummer des Unternehmens zu notieren – falls die Videoverbindung einmal abbrechen sollte, kann das Gespräch notfalls telefonisch fortgeführt werden.

Ein neutrales Umfeld fürs Gespräch wählen

Der Hintergrund des Bewerbers sollte möglichst unverfänglich und „neutral-professionell“ sein, so Pöhlmann. Bestimmte Details im Bild könnten sich zwar positiv auswirken und zu einem guten Gesprächseinstieg mit dem Personaler führen.

Genauso gut könnten zu persönliche Dinge im Hintergrund aber auch einen negativen Effekt haben und schnell unprofessionell wirken: „Reste der Party von gestern oder ein Heavy-Metal-Poster machen sicherlich keinen guten Eindruck.“ Auch die Kaffeetasse vom Lieblingsfußballverein hat nichts im Videobild zu suchen.

Mögliche Störfaktoren wie klingelnde Handys gilt es auszuschalten, es sollte natürlich auch niemand anderes ins Gespräch platzen.

Angemessene Kleidung von Kopf bis Fuß

Auch der Bewerber selbst ist gut beraten, sich eher unauffällig zu kleiden. „Das verrückte Stillleben mit Sternchen und Blümchen ist eher nicht geeignet“, sagt Expertin Pöhlmann: „Das wirkt unter Umständen im Zusammenhang mit dem Hintergrund unruhig.“ Stuhl und Kleidung sollten sich farblich unterscheiden, damit die Konturen des Bewerbers nicht verschwimmen.

Generell gelte wie beim persönlichen Bewerbungsgespräch: Die Kleidung muss zum Unternehmen passen: „Eher konservativer, wenn es um eine Bank geht, und legerer bei der hippen Werbeagentur“, so Pöhlmann. Und noch eines sei wichtig: „Man sollte sich von Kopf bis Fuß korrekt anziehen.“ Sie habe es schon erlebt, dass Video-Bewerber aufgestanden seien und dabei ihre Jogginghose und Adiletten offenbart hätten.

Vorteil beim Videointerview: Diskreter Spickzettel gegen Gedächtnislücken ist möglich

Der Ablauf eines Vorstellungsgesprächs per Video unterscheidet sich kaum von einem konventionellen Termin. Für Pöhlmann gibt es jedoch einen entscheidenden Vorteil für den Bewerber: „Der Vorteil ist, dass man die Möglichkeit hat, sich diskret den Lebenslauf zurechtzulegen oder einen kleinen Spickzettel.“ Dies könnten gute Hilfestellungen sein, falls man mal den Faden verliert.

Auf Augenkontakt achten und nicht die ganze Zeit auf seine Aufzeichnungen schauen

Auch wirke es professionell, wenn sich der Job-Anwärter während des Gesprächs Notizen mache, wenn er später zu einem Thema Rückfragen stellen wolle. Doch die ganze Zeit auf seine Aufzeichnungen zu schauen, sei kontraproduktiv für den Bewerber: Auch bei Videokonferenzen gelte es Augenkontakt zu halten, gut zuzuhören und ab und zu auch mal zu lächeln.

Zwar fehle bei dieser Gesprächsform der klassische Händedruck zwischen Bewerber und Personaler: „Aber es gibt so viele andere Möglichkeiten, im Videointerview herauszufinden, wie der Kandidat tickt und was ihn antreibt“, so Pöhlmann. „Dann ist das Gegenübersitzen nicht mehr zwangsläufig nötig.“