München. Worauf muss sich die Tourismuswirtschaft nach Corona einstellen? Darüber sprach aktiv mit dem Experten Alfred Bauer, Vorsitzender des Bayerischen Zentrums für Tourismus und Dekan der Fakultät für Tourismus-Management an der Hochschule Kempten.

aktiv: Welche Folgen hat die Corona-Pandemie für den Tourismus in Bayern?

Alfred Bauer: Die Tourismusbranche hat besonders unter den Einschränkungen gelitten – vor allem in den Städten. Weniger Geschäftsreisen, kaum Besuch aus dem Ausland, Urlauber, die Menschenansammlungen meiden: Gerade für die Zentren war und ist Corona sehr schwer zu verkraften. Und es wird wohl leider noch etwas dauern, bis sich die Zahlen normalisieren werden.

Wird es denn jemals wieder so sein wie vor Corona?

Das ist sehr schwer zu sagen. Viele Urlauber werden sicher wieder zu ihrem früheren Reiseverhalten zurückkehren wollen. Aber das gilt bestimmt nicht für alle. Klar ist jedenfalls: Trends, die schon vor der Pandemie zu beobachten waren, haben sich weiter verstärkt.

Welche Trends meinen Sie?

Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Gerade Jüngere geben an, dass ihnen das Thema wichtig ist. Bislang gehen Anspruch und tatsächliches Handeln zwar noch oft auseinander. Aber das muss nicht so bleiben. Auch der Wunsch nach Natur hat sich während der Pandemie weiter verstärkt. Die Tourismuswirtschaft nimmt Umwelt- und Naturschutz sehr ernst – gerade in Bayern. Eine intakte Naturlandschaft ist hier ja oft die Grundlage für Tourismus.
 

Sehen Sie weitere Entwicklungen, die sich beschleunigen?

Die Digitalisierung wird viel verändern – und neue Optionen schaffen. Ich denke da etwa an das Steuern von Touristenströmen. Untersuchungen zeigen, dass Überfüllung ein großes Problem für die Attraktivität eines touristischen Ziels ist.

Wie stellen Sie sich das vor?

Es geht darum, Kapazitäten besser auszulasten – das heißt vor allem gleichmäßiger. Eine Möglichkeit besteht darin, aktuelle Informationen über Besucherzahlen bereitzustellen. Ein Tagesausflügler könnte dann vor der Abfahrt erst mal in sein Smartphone schauen – genauso wie für den Wetterbericht. Natürlich könnte man auch nach Corona weiter mit Anmeldungen arbeiten. Oder man variiert die Preise je nach Tageszeit und Nachfrage. Morgens um neun wäre es dann meist günstiger als um die Mittagszeit. Da ist dann bestimmt nicht jeder Gast begeistert. Aber die Akzeptanz solcher Instrumente ist in der Corona-Zeit sicherlich gewachsen.

Corona hat also auch Positives?

Neben allem Ärger gibt es jedenfalls auch die Chance einer „Stunde null“: Corona als Anlass, um grundsätzlich über die kommenden Herausforderungen nachzudenken. Andererseits hat die Pandemie natürlich auch bestehende langfristige Probleme noch einmal verschärft.

Woran denken Sie da besonders?

Der Fachkräftemangel ist ein Dauerthema. Die Bezahlung und die Arbeitszeiten am Abend und an den Wochenenden sind für viele Menschen nicht attraktiv. Schließungen und Kurzarbeit haben nun auch noch viele Mitarbeiter dazu gebracht, sich eine neue Arbeit zu suchen. Die kommen nicht so einfach zurück. Außerdem bleibt abzuwarten, was jetzt junge Leute machen, die sich für einen Beruf in der Tourismusbranche interessieren. Die Medien zeichnen gerade ein sehr düsteres Bild. Das könnte viele abschrecken – auch wenn es mittelfristig ja gar nicht so schlecht aussieht. Reisen ist und bleibt für viele Menschen ein Grundbedürfnis.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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