Berlin. Wenn es um neue, innovative Textilien geht, hat die deutsche Textilbranche weltweit die Nase vorn. „Das liegt auch an der textilen Forschung in Deutschland“, sagt Johannes Diebel, Leiter des Forschungskuratoriums Textil (FKT) in Berlin im Gespräch mit aktiv. Besonders beim Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz sieht Diebel Potenzial für neue Ansätze in der industriellen Forschung.

Welches Ziel verfolgt das Forschungskuratorium Textil?

Wir ermöglichen es Unternehmen ohne eigene Forschungsabteilung, sich rechtzeitig auf neue Trends einzustellen. Auf der Grundlage unserer vorwettbewerblichen Forschung können sie eigene Produktideen umsetzen. Wir koordinieren diese Arbeit und vernetzen Forschungseinrichtungen und Unternehmen.

Wie unterstützen Sie Unternehmen bei Forschungsvorhaben konkret?

Im besten Fall bringen wir Unternehmen mit den richtigen Forschern zusammen, die dann an neuen Ideen und Verfahren arbeiten. Sie können diese Forschung als Unternehmer begleiten – in einem sogenannten projektbegleitenden Ausschuss. Wie groß das Interesse ist, sehen Sie an unseren derzeit 150 laufenden Forschungsprojekten, die von rund 2.500 Unternehmen begleitet werden. Wir informieren aber auch über alle abgeschlossenen und laufenden Forschungsarbeiten und halten eine Datenbank für die Recherche bereit.

Deutsche Textiler gehören zur Weltspitze. Welchen Anteil haben Sie daran?

Einen großen. Das FKT ist seit 60 Jahren aktiv und bis heute überaus erfolgreich, aktuell mit jährlich etwa 20 Millionen Euro staatlichem Fördervolumen für textile Projekte. Diese sind im Wesentlichen im Bereich der technischen Textilien zu verorten. Durch die themenoffene IGF (Industrielle Gemeinschaftsforschung), in der wir unsere Anträge stellen, konnten auch ungewöhnliche Ansätze verfolgt werden.

Welche sind das denn?

Nun, wer hätte schon gedacht, dass Textil mal als Baustoff im Textilbeton zum Schlüsselelement für klimafreundliches Bauen wird. Oder dass eine textile Bandscheibe für viele Rückenkranke und ältere Patienten der Weg für ein Leben ohne Schmerzen ist.

Wie profitieren die Mitarbeiter der Branche vom Kuratorium?

Die rund 135.000 Arbeitsplätze in der Branche verdanken wir den hoch spezialisierten Produkten und Verfahren, vor allem den technischen Textilien. Die hätten wir ohne Forschung nämlich nicht. Das ist unser Markenzeichen. Nur damit können wir trotz unserer hohen Arbeits- und Energiekosten auf dem Weltmarkt bestehen. Aber auch das wird natürlich immer schwieriger. Die Konkurrenz schläft nicht.

Welche Produkte sind zusammen mit dem Kuratorium entstanden?

Da ist die Palette groß. Vom Stent bei der Herz-OP bis hin zu Luft- oder Wasserfiltern, die Abwässer und Abgase schnell wieder sauber machen. Aber auch Bekleidung aus Algen oder Brennnesseln hat ihren Ursprung in unserer Textilforschung.

Wo sehen Sie die Zukunftsthemen in der textilen Forschung?

Kurz gesagt: Kein Green Deal geht ohne Textil. Wir haben jede Menge Nachhaltigkeitslösungen. Nehmen Sie nur biobasierte Flammschutzbeschichtungen oder antibakterielle Stoffe im Pflegebereich. Eigentlich gibt es kein einziges Zukunftsthema, bei dem Textil nicht einen Beitrag leisten kann. Ob in der Mobilität durch textile Ladepunkte für kontaktloses Laden oder die Zukunftsstadt mit neuen Textilfassaden, die Energie erzeugen, die verschatten, Licht gezielt lenken, Schadstoffe filtern und dabei auch noch gut aussehen.

Bei der Forschungsförderung gibt es jetzt Verbesserungen. Was ist da für Sie wichtig?

Wir haben das Thema begleitet und uns dafür starkgemacht, dass auch der Auftraggeber die Fördergelder erhält, da er schließlich das Risiko trägt. Wir befürworten selbstverständlich jede Unterstützung für Unternehmen. Wie gut sie wirkt, muss sich erst über die Jahre zeigen. Die Industrielle Gemeinschaftsforschung hat diesen Beweis über die Jahrzehnte schon erbracht und ist mit 180 Millionen Euro – wie ich finde – immer noch nicht ausreichend ausgestattet. Die Hälfte aller Ideen kann damit nicht umgesetzt werden.

Wird denn in Zukunft mehr Geld fließen?

Ich hoffe sehr, dass hier noch einmal nachgebessert wird. Denn gerade in einer Phase der konjunkturellen Abkühlung brauchen wir nicht weniger, sondern mehr leistungsfähige Forschungs- und Transfernetzwerke. Wenn wir hier am falschen Ende sparen, könnte uns das alle teuer zu stehen kommen.

Gemeinsam forschen

Über die „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ erhalten klein- und mittelständische Betriebe staatliche finanzielle Unterstützung bei der Forschung.

In der Textilbranche ermöglicht das den Unternehmen, praxisorientierte Forschung mit 16 Textilinstituten zu betreiben.