Berlin/München. Die neue Bundesregierung hat bekanntlich viel anzupacken: Klimaschutz und Digitalisierung zum Beispiel. Doch können wir uns teure Programme nach der Corona-Krise überhaupt leisten? aktiv guckt mal kritisch in die Kasse.

Hilfszahlungen etwa für Kurzarbeiter, Finanzstützen für viele Betriebe, Extrakosten für medizinisches Material: „Wegen Corona“ gaben Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen im Jahr 2020 rund 189 Milliarden Euro mehr aus, als sie einnahmen! Auch 2021 ist das Defizit riesig: Schon im ersten Halbjahr dieses Jahres liefen rund 130 Milliarden Euro Miese auf.

Logische Folge: Unsere Staatsschuldenquote, die während des langen Aufschwungs bis 2019 deutlich gesünder geworden war, ist zuletzt steil angestiegen. Jetzt liegt sie wieder bei etwa 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Kein Geld für große Sprünge: Corona hat ein großes Defizit in die Staatskasse gerissen.

Zu hohe Schulden schränken zu stark ein

Aber ist das tatsächlich ein Problem? Auch ein Eigenheim-Kauf führt ja oft zu hoher Verschuldung, aber nicht gleich zum Ruin – und die Zinsen sind nahe null. Warum also ist der Schuldenstand wichtig?

„Weil wir sonst unseren Handlungsspielraum in der Zukunft stark einschränken“, erklärt Professor Niklas Potrafke, Experte für Staatsfinanzen am Münchner Ifo-Institut. „Wir müssen von den hohen Schulden runter – schon um wieder einen soliden Puffer für künftige Krisen zu haben.“ Auf Corona habe die Politik ja nur deshalb so kräftig reagieren können, weil sie zuvor für solide Finanzen gesorgt hatte.

„Schwarze Null“ und Schuldenbremse wegen Corona außer Kraft gesetzt

Solide, das heißt: Die Politik hatte sich zur „schwarzen Null“ verpflichtet. Es sollte nicht mehr ausgegeben werden als reinkommt. Außerdem steht in der Verfassung bekanntlich die Schuldenbremse: Sie zieht die Grenze für eine Neuverschuldung des Bundes in normalen Zeiten bei 0,35 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). In der Not der Pandemie durfte die letzte Bundesregierung aber beide Regeln aussetzen, denn es musste sehr schnell sehr viel Geld her.

Für die angesammelten Staatsschulden schreibt der EU-Stabilitätspakt eine Quote von höchstens 60 Prozent vom BIP vor. 2019 waren wir da im grünen Bereich, der nun wieder in weite Ferne gerückt ist. Zudem wird die Wucht der demografischen Entwicklung, also der alternden Gesellschaft, absehbar eine enorme Herausforderung für die deutsche Staatskasse.

Ausgaben kürzen, um neuen Spielraum zu schaffen

Experte Potrafke macht klar: „Damit unsere Staatsfinanzen langfristig tragfähig bleiben und wir Schulden tilgen können, müssen künftig also noch deutlich höhere Haushaltsüberschüsse erzielt werden als vor der jetzigen Krise.“

Wo aber könnte dann das Geld etwa für Klimaschutz und Digitalisierung herkommen? „Man wird Transferausgaben, wie Subventionen für Unternehmen und im Sozialsystem, kürzen müssen“, meint der Ökonomie-Professor, „denn einen Spielraum haben wir nicht.“

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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