Ingrid Schubert ist ein fröhlicher Mensch – und das nicht nur, weil sie am vergangenen Rosenmontag 40 Jahre alt geworden ist. Beim Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim unterrichtet sie junge Menschen in technischer Ausbildung.

Technische Berufe sind immer noch ungewöhnlich für eine Frau – oder? „Meiner Meinung nach gibt es keine typischen Frauen- oder Männerberufe“, sagt sie spontan und streicht ihre blaue Haarsträhne zur Seite.

Dabei lacht sie herzlich und fährt fort: „Ich finde, das Geschlecht sollte bei der Berufswahl keine Rolle spielen dürfen. Und doch ist es irgendwie so …“ 20 bis 25 Azubis für Technikberufe stellt das Unternehmen jedes Jahr ein. Frauen bleiben dabei allerdings eine seltene Spezies.

Elternhaus prägt Wahl der Ausbildung

Ingrid Schubert hat um die Jahrtausendwende Mechatronikerin gelernt und danach eine Weiterbildung zur Automatisierungstechnikerin absolviert.

Als Pionierin in dem damals neuen Beruf hatte sie es nicht leicht, überhaupt einen Ausbildungsplatz zu finden: „Manche Unternehmen hatten keine Sozialräume für Frauen, andere schlicht Vorurteile gegen eine weibliche Bewerberin, die dazu noch Abitur hat.“ Bei Boehringer Ingelheim bekam sie ihre Chance.

Selbstbewusst behauptete sie sich als einzige Frau in einer 24-köpfigen Männerklasse: „Da musste ich schon mal zeigen, wo der Hammer hängt.“

Heute sei es einfacher geworden, als Frau eine technische Ausbildung zu absolvieren – zum Beispiel zur Elektronikerin für Automatisierungstechnik, Industriemechanikerin, Mechatronikerin oder Maschinen- und Anlagenführerin.

„Wenn eine Frau hier anfängt, ist sie als vollwertiges Mitglied des Jahrgangs akzeptiert“, sagt die Ausbilderin. „Man muss allerdings bereit sein, sich in einem von Männern dominierten Beruf zu behaupten.“

Aus Erfahrung weiß sie, dass sich Frauen gut in der Werkstatt machen: „Wir haben in jedem Jahrgang ein, maximal zwei Mädels in der technischen Ausbildung. Fast immer zählen sie zu den besten Absolventen ihres Jahrgangs.“

Die Ausbilderin betont: „Jeder sollte das tun, was seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht.“

Was aber ist entscheidend dafür, dass sich Frauen für technische Berufe interessieren und auf die Ausbildungen bewerben? „Das hängt viel vom Elternhaus ab“, berichtet Schubert. „Ich bin quasi in einer Werkstatt aufgewachsen. Mein Vater hat daheim Dampflokomotiven und -traktoren im Modellmaßstab gebaut. Wir hatten eine Fräsmaschine und diverse Werkzeuge. Viele Mädels, die bei uns sind, haben auch einen technisch versierten Familienangehörigen oder Bekannten. Manche sind in der Feuerwehr aktiv und haben schon von klein auf eine gewisse Affinität zu Technik entwickelt.“

Das ist praktisch, denn in der Ausbildung absolvieren die jungen Leute zunächst die komplette Metallgrundausbildung – also Bohren, Feilen, Drehen und Fräsen. Sitzt das Basiswissen, geht es direkt in den Abteilungen weiter.

Ein Highlight der Ausbildung ist die „Juniorfirma“: Dort bearbeiten die Azubis möglichst eigenständig verschiedene Aufträge aus dem Unternehmen.

Schubert: „Da muss zum Beispiel die Tablettenpresse in der Pharmakantenausbildung instand gesetzt werden. Oder eine Abteilung wünscht sich eine Sonderanfertigung wie einen Headset-Halter.“ Die Azubis lernen so, selbstständig in einem Team zu arbeiten und Probleme im Ausbildungsbereich zu lösen.

Technische Berufe bieten viele Fortbildungsmöglichkeiten

Die Ausbilderin steht ihren Schützlingen stets als Coach zur Seite. Schubert arbeitet gerne mit Menschen und gibt ihr technisches Know-how weiter. Auch privat ist sie engagiert, etwa als Fledermausbotschafterin. Oder ehrenamtlich im Karnevalsverein ihrer Heimatgemeinde: In der gerade beendeten Kampagne trainierte sie gleich drei Gardetanzgruppen des Schwabenheimer Carneval-Vereins 1927. Die Bühnendeko lag ebenfalls in ihrer Hand.

Bei Ingrid Schubert passen Aufgaben und Interessen also bestens zusammen: „Technische Berufe sind ein Volltreffer, auch für Mädchen. Man kann sich wunderbar ausleben und hat Fortbildungsmöglichkeiten in alle Richtungen.“

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Sabine Latorre
Leiterin aktiv-Redaktion Rhein-Main

Dr. Sabine Latorre ist spezialisiert auf Themen aus der Chemie- und Pharma-Industrie. Sie liebt es, komplizierte Zusammenhänge einfach darzustellen – so schon vor ihrer Zeit bei aktiv als Lehrerin sowie als Redakteurin für die Uniklinik Heidelberg und bei „BILD“. Nebenbei schreibt sie naturwissenschaftliche Sachbücher für Kitas und Schulen. Privat reizen sie Reisen sowie handwerkliche und sportliche Herausforderungen.

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