Die Europäische Union hatte im Herbst 2018 Einwegartikeln aus Plastik den Kampf angesagt. Die damals beschlossene EU-Richtlinie besagt, dass spätestens ab 2021 der Verkauf von Trinkhalmen, Einweggeschirr, Wattestäbchen und anderen Wegwerfprodukten aus Plastik verboten werden soll.

Inzwischen hat auch der Deutsche Bundestag nachgezogen und ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Doch wie können die staatlichen Vorgaben in die Praxis umgesetzt werden? Das Hamburger Maschinenbauunternehmen Hauni zeigt am Beispiel von Trinkhalmen aus Papier, wie es geht. 

500 Milliarden Trinkhalme pro Jahr

„Bereits unmittelbar nach der EU-Entscheidung hat der Markt Lösungen gefordert“, erinnert sich Patrick Fricke, Leiter der Abteilung Business Development bei Hauni. Kein Wunder, denn der Bedarf an alternativen Produkten ist riesig. Der Verbrauch von Trinkhalmen wird jährlich weltweit auf etwa 500 Milliarden Stück geschätzt. Vor allem die Verpackungsindustrie, aber auch Supermärkte, Fast-Food-Ketten und die Gastronomie suchen deshalb Alternativen zu Plastikprodukten.

Der in Hamburg-Bergedorf ansässige Maschinenbauer Hauni ist Weltmarktführer bei der Produktion von Fertigungsmaschinen für die Tabak-Industrie. Er verfügt über exzellentes Know-how, wenn es darum geht, Pappe oder Papier „in Form“ zu bringen. Ein führendes Unternehmen der Verpackungsindustrie fragte die Maschinenbauer daher an, ob es möglich sei, Trinkhalme auf Papierbasis herzustellen. „Diese Herausforderung haben wir gern angenommen“, sagt Fricke.

Die größten Herausforderungen stecken in den Details

Schon kurze Zeit später kamen aus allen Abteilungen des Unternehmens Vorschläge, wie bestehende Maschinen so umgerüstet werden können, damit sie schnell und zuverlässig Papiertrinkhalme produzieren. Ein Projektteam aus Ingenieuren, Mechanikern, Marketingmanagern und Vertriebsleuten wurde gebildet, das die Vorschläge aufnahm und auf ihre Umsetzbarkeit hin prüfte.

Plastik-Strohhalme sind schlecht für die Umwelt - Hauni sorgt für Alternativen

„Wir hatten schon bald eine Maschine identifiziert, die sich zur Produktion solcher Papiertrinkhalme eignen würde“, berichtet Tobias Nick, einer der Projektleiter. Es handelte sich um eine Anlage, die bereits seit drei Jahren zur Produktion für alternative Tabakprodukte gebaut wird. „Der gedankliche Weg von der Papierfilterhülse hin zum Trinkhalm aus Papier war schnell beschritten“, sagt Nick, „doch in den Details steckten die größten Herausforderungen.“

Papierhalm ist ein komplexes Produkt

Zu diesen Details gehörte beispielsweise, dass das Papier in Flüssigkeiten fest bleiben muss. Der Trinkhalm darf nicht durch Feuchtigkeit einknicken, muss den strengen Regeln der Lebensmittel-Industrie entsprechen und darüber hinaus einfach zu verleimen sein. „Diese Hürde konnten wir nehmen, weil wir schon lange mit Lieferanten zusammenarbeiten, die solche Spezialpapiere liefern können“, erklärt Nick.

Zudem musste der Klebstoff zur Verleimung des Papiers hohen Anforderungen genügen. Denn auch dieser Rohstoff muss lebensmittelecht sein und – weil sehr kostenintensiv – sparsam eingesetzt werden. „Wir haben uns bei der Produktion der Trinkhalme dafür entschieden, nicht das sonst übliche Spiralwickelverfahren anzuwenden, sondern das Papier linear zweilagig und ohne Überlappung zusammenzufügen“, erklärt der 33-jährige Wirtschaftsingenieur Nick. Vorteil: Der Verbrauch des Klebstoffs wird im Gegensatz zum herkömmlichen Verfahren um etwa die Hälfte gesenkt und die Geschwindigkeit, in der die Halme produziert werden können, zugleich erhöht.

Hoher Investitionsaufwand

Die bereits als tauglich identifizierte Maschine wurde in der Folge umgebaut und auf die Anforderungen der Trinkhalmproduktion angepasst. Am Ende war der „Hauni Straw Maker“ (HSM) entstanden, eine Anlage, die schnell, zuverlässig und ressourcenschonend Röhrchen aus Papier produzieren kann. Während Maschinen des Wettbewerbs rund 60 bis 100 Meter Halme pro Minute fertigen, schafft der HSM 300 Meter oder 1.500 Trinkhalme mit einer Länge von 200 Millimetern und einem Durchmesser von 4,5 bis 8 Millimetern in der gleichen Zeit.

„Bei einem Investitionsaufwand über der Millionengrenze ist dieser Produktivitätsvorteil letztlich entscheidend“, betont Business-Development-Chef Fricke. Das Hauni-Team, dem zwischenzeitlich mehr als 50 Experten aus allen Abteilungen angehörten, brachte den Prototyp in nur anderthalb Jahren zur Serienreife – und erschloss mit der Maschine dem Unternehmen neue Märkte.

Aus Bewährtem Neues schaffen

Zugleich zeigt Hauni mit dieser Entwicklung beispielhaft, wofür das Gütesiegel „Made in Germany“ seit Jahrzehnten steht: Aus einem bestehenden Produkt durch Innovationsgeist, pfiffige Ideen und Ingenieurskunst etwas Neues zu schaffen, das den hohen Anforderungen an Zuverlässigkeit, Handling und Produktivität standhält und die Anforderungen des Marktes erfüllt. Oder um es mit den Worten des Hauni-Firmengründers Kurt A. Körber auszudrücken: „Das Richtige als Erster zum richtigen Zeitpunkt tun.“

Inzwischen bewähren sich die ersten sieben Maschinen im Einsatz bei den Kunden – und weitere in der Hauni-Fertigung. „Wir schauen da natürlich besonders genau, ob die Anlagen Tempo und Zuverlässigkeit einhalten und wie bestimmte Dinge verbessert werden können“, sagt Fricke. So fordern manche Kunden Trinkhalme, die gebogen werden können, dabei aber voll funktionsfähig bleiben müssen. Und zusammen mit einem international tätigen Getränkeverpacker denken die Hauni-Ingenieure gerade daran, die Trinkhalme mit Logos oder Schriftzügen zu bedrucken.

Weitere Infos zu Hauni auf der Website des Unternehmens:
paper-straw-maker.com

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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