St. Ingbert. Jobs wandeln sich, Wissen ist im Fluss. Die Maschinen, an denen ein Mechatroniker vor 20 Jahren gelernt hat? Sind heute längst außer Betrieb. Industrie 4.0? Kannte damals niemand! Immer stärker gilt: Um Mitarbeiter fachlich fit zu halten, müssen Unternehmen permanent in Bildung investieren.

Der Esslinger Automatisierungs-Spezialist Festo hat das sehr früh erkannt. Schon 1994 gründete der Konzern im saarländischen St. Ingbert ein gemeinnütziges Lernzentrum. In dessen Lehrwerkstätten und Seminarräumen werden seither nicht nur Festo-Mitarbeiter ausgebildet, sondern jährlich auch Hunderte Beschäftigte anderer Unternehmen. Teil ist auch eine Lernfabrik, in der an Zukunftsthemen geforscht wird. Beim aktiv-Besuch erklärt Klaus Herrmann das näher. Er ist stellvertretender Leiter des Festo Lernzentrums.

Wir stehen in der Lernfabrik an einem Tisch mit Werkzeugen, Monitoren und einem Roboterarm. Was passiert hier?

Das ist ein intelligenter Arbeitsplatz. Wir nutzen ihn zum einen, um Mitarbeiter zu schulen – etwa in der Zusammenarbeit mit kollaborativen Robotern. Zum anderen ist er ein Modell dafür, wie Montage-Arbeitsplätze in der Industrie in Zukunft aussehen könnten.

Was kann dieser smarte Arbeitsplatz?

Nehmen wir an, Sie müssten hier einen Zylinder montieren. Dann wird das System Sie bei allen Schritten unterstützen. Eine digitale Assistentin wird ansagen, was zu tun ist, und das auch über den Monitor oder mit Lichtsignalen anzeigen. Das Besondere ist, dass das System selbstständig mithilfe von RFID-Sensoren erkennt, was Sie gerade tun. Greifen Sie den falschen Schrauber, wird es Sie warnen.

„In der Akku-Produktion gibt es ganz spezielle Anforderungen.“

Klaus Herrmann

Fühlt man sich da nicht überwacht?

Das System speichert keine Daten auf Dauer. Assistenz soll auch nicht dressieren, sondern Freiheit ermöglichen. Jeder arbeitet ja ein bisschen anders. Mithilfe künstlicher Intelligenz erkennt das System, wie fit Sie sind. Es meldet sich dann nur noch bei logischen Fehlern. Und schlägt Ihnen Lerninhalte vor, die Sie sich später in Ruhe anschauen können.

Sie forschen im Lernzentrum auch an einer der Zukunftstechnologien schlechthin: der Batteriezellfertigung. Was verbirgt sich hinter dem Projekt „ABAKOS“ genau?

Das ist ein neues Projekt, für das eine Förderung des Bundes beantragt ist. (Mehr zum Projekt „ABAKOS“ lesen Sie hier auf aktiv-online.) Wir sind daran federführend zusammen mit Batterieproduzenten, Maschinenbauern und Autoherstellern beteiligt. Wir untersuchen, welche Kompetenzen Mitarbeiter für die Batteriezellfertigung brauchen – und wie eine Industrialisierung hier überhaupt aussehen könnte.

Aber solche Akkus werden doch längst in großem Stil produziert.

Ja, die Massenproduktion etwa in Südostasien läuft – allerdings bislang nur auf einem qualitativ schlechten Level. Die meisten Lösungen funktionieren auch nur für bestimmte Batterietypen oder Prozessschritte. Bei ABAKOS geht es nun aber um den kompletten Lebenszyklus: von der Rohstoffgewinnung über die Fertigung bis zur Weiternutzung und zum Recycling. Besonders für die Wiederverwertung fehlen bisher Lösungen.

Was unterscheidet die Akku-Herstellung denn von anderen Produktionslinien?

Es gibt hier ganz spezielle Anforderungen, zum Beispiel in der Montage. Hier haben wir es ja mit Hochvolt zu tun, die Produkte haben eine Spannung zwischen 400 und 800 Volt. Die Frage ist: Welche Fähigkeiten brauchen Mitarbeiter dafür? Wie lassen sich Unfälle vermeiden? In jedem Bereich schauen wir, welche Qualifizierungen nötig sind.

Sie überlegen sich also Ausbildungsinhalte für Industrie-Jobs, die es so noch gar nicht gibt …

… und deren Produkte sich auch noch rasant verändern! Es werden ständig neue Batteriezelltypen entwickelt. Der elektrochemische Aufbau und die Akku-Größe können schon morgen ganz andere sein. Wie sollen Betriebe da eine Massenproduktion aufbauen? Wie kann man wandlungsfähige Anlagen konstruieren? Das ist eine enorm spannende Herausforderung.

Das Festo Lernzentrum

  • Seminare. Von den „Grundlagen der Pneumatik“ bis zum Software-Training: Das Lernzentrum bietet Präsenz- und Online-Seminare – offen für jeden.
  • Ausbildungen und Lehrgänge. Techniker, Mechatroniker und andere können sich im Lernzentrum ausbilden lassen, wenn ihr Unternehmen keine eigene Lehrwerkstatt hat.
  • Beratung. Unternehmen können sich zu Industrie 4.0 und anderen wichtigen Themen beraten lassen.
  • Forschung. Das Lernzentrum, in dem fast 50 Menschen arbeiten, beteiligt sich auch an zahlreichen internationalen Forschungs- und Entwicklungsprojekten der Industrie
  • Mehr Infos: festo-lernzentrum.de
Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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